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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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auch nicht Gudrun nachspionieren. Deshalb beschloss er, sich so schnell wie möglich von dieser Bürde zu befreien, und radelte auf direktem Wegezu dem großen Gebäude am Südrand des Lagers. Dort stellte er sein Fahrrad ab und trat an den beiden Wachen vorbei ins Innere.
    Im Grunde handelte es sich um eine große Lagerhalle. In enormen Regalen lagerten Tausende von Getreidesäcken, Gemüsekisten und Wasserflaschen, dazu Werkzeug aller Art und medizinische Notausrüstung. Es waren alles Dinge der Außenwelt, die hier im Lager eigentlich verboten waren. Doch ohne sie funktionierte es einfach nicht. Das Lager war gerade groß genug, um für das spätere Leben in der Innenwelt zu üben, aber sie konnten hier in der Schorfheide nicht anfangen, für fünftausend Mann Getreide anzubauen oder Vieh zu halten. Zu viel Aktivität würde früher oder später ungewollte Aufmerksamkeit erwecken, und das mussten sie unter allen Umständen vermeiden. Also mussten sie Verpflegung von außerhalb beziehen und irgendwo unterbringen.
    Oben in der Halle war ein kleiner Abschnitt für Fürst Herwarth reserviert, der über die fünftausend Mann des Lagers herrschte. Eine schmale Gittertreppe führte nach oben zu ein paar kleinen Zimmern, die in einer gewöhnlichen Lagerhalle eigentlich als Büroräume für den Vertriebsleiter gedacht waren. Von ein paar Fenstern aus hatte der Fürst einen großartigen Ausblick über seine Regalreihen, und als zusätzlichen Bonus konnte er sehen, wer gerade die Treppe hinaufkam. Vor der Tür standen zwei weitere Krieger Wache. Es war übertrieben, aber sicher war sicher.
    Im Schreibzimmer des Fürsten brannte das Licht einer Öllampe, die in dem außenweltlerisch eingerichteten Raum völlig fehl am Platze wirkte. Ansonsten gab es einen Schreibtisch, mehrere Stühle, ein Sofa und ein paar Schränke. Fürst Herwarth hatte Wolfgangs Ankunft entweder nicht bemerkt oder ignorierte sie, jedenfalls ging er im Zimmer auf und ab, das Telefon samt Kabel in der Hand, und brüllte in den Hörer.
    »Das ist mir sogar
scheißegal!
«, schrie er gerade, die Adern in seinem Hals dick angeschwollen. »Ich will hier keinen beschissenen Priester haben, zumindest nicht, solange er noch an seinen beschissenenGott glaubt. Was? Ja und? Aura hin oder her, unsere Leute sollen gefälligst an die alten Götter glauben! Wotan, Donar und Freyja, das sind die wahren Götter und nicht dieser beschissene Jesus an seinem beschissenen Scheißkreuz!«
    Wolfgang hinter seinem Rücken nickte anerkennend. Sechs Mal »Scheiße« oder »beschissen« in drei Sätzen, das musste ihm erst einer nachmachen. Verdammt, der Fürst befand sich in einer wahrhaft sonnigen Laune.
    Der Jarl wandte sich um, während er angestrengt in den Hörer lauschte, und erblickte Wolfgang. Er nickte kurz, dann rief er entnervt: »Ja … Ja. Dann fressen ihn halt die Schatten, meinetwegen, ist mir doch scheißegal. Sollen ihn doch Helm oder Gerald nehmen! Nein,
ich
nehme ihn
nicht! «
Damit hängte Fürst Herwarth den Hörer krachend ins Telefon und stellte dieses ebenso krachend auf den Tisch. Wolfgang zuckte mit jedem Krachen aus Mitleid mit dem unschuldigen Telefon zusammen, in der Erwartung, es in alle Teile zerbrechen zu sehen. Doch es war eines von den uralten grünen, noch mit Wählscheibe und unverwüstlich. Ein neueres Modell hätte wahrscheinlich längst den Geist aufgegeben.
    »Und, wie sieht es aus?«, fragte der Jarl, nachdem er sich in einen Stuhl hatte fallen lassen.
    »Ömmm … Soll ich vielleicht später noch einmal wiederkommen?« Wolfgangs Neuigkeiten waren nicht sonderlich gut, und sicher war sicher. Man wusste nie, wie der Fürst in solchen Momenten auf schlechte Neuigkeiten reagierte.
    »Nun raus mit der Sprache!«, rief Herwarth.
    »Okay, okay«, knickte Wolfgang ein. »Also gut. Ich war wie befohlen in Potsdam.«
    »Und? Was gibt es dort?«
    Wolfgang sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, für den Fall, dass sich Herwarth gleich auf ihn stürzen würde, um ihn zu fressen. Ob ihn wohl die beiden Wachen vor der Tür aufhalten würden? Notfalls konnte er immer noch durch das Fenster springen.Wenn er Glück hatte und sich nichts dabei brach, hatte er die Prellungen und Verrenkungen vom Sturz regeneriert, bevor sie ihn einholen konnten … »Nun«, stellte er sich dem Unvermeidlichen. »Nicht ganz das, was wir uns erhofft hatten, mein Fürst.«
    »Was soll das heißen? Raus mit der Sprache!«
    »Jawohl. Nun, um es kurz zu fassen, was ich dort

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