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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Der Beißkeil rutschte aus dem Mund des Bretonen, der wie ein Irrer zu schreien anfing. »Mach schon!«, stieß einer der Helfer aus, als der Bretone mit noch größerer Kraft versuchte, sich zu befreien.
    Scott ließ sich nicht beirren. Achtmal schob er die Säge nach vorne, achtmal zog er sie zurück, dann war er durch den Knochen. Der Rest ging blitzschnell. Plötzlich war die Säge durch, der Helfer, dessen Riemen das Bein gehalten hatte, stolperte zurück, und Keelin spürte die Kraft, mit der der Bretone versuchte, sich zu befreien. Schwallartig pulsierte Blut aus der Wunde.
    Keelin schloss die Augen und öffnete sich der Magie. Sie zählte bis drei, während die Pein des Bretonen durch ihre Hand in ihren Körper floss. Sie presste die Lippen zusammen, während der grässliche Schmerz in ihrem eigenen Oberschenkel tobte; dann brach sie den Kontakt ab und ließ den Schmerz verpuffen.
    Der Blutschwall aus der durchtrennten Oberschenkelarterie schrumpfte zusammen, als der Blutdruck des Bretonen gemeinsam mit seinen Schmerzen weniger wurde. Schnell schlug Keelin die kleine hölzerne Box mit ihren Instrumenten auf und setzte sich auf den bereitgestellten Schemel. Mit geübten Handgriffen fasste sie die Arterie mit der Pinzette und legte die Klemme darüber. Nachdem sie so auch die große Vene abgebunden hatte, war die Blutung größtenteils gestoppt.
    Sie sah auf. Der Bretone war fahl geworden, doch seine Miene wirkte einigermaßen entspannt. »Ist es auszuhalten?«, fragte sie. Er nickte. Sie wandte sich an ihre Helfer und schickte sie fort. Nähen konnte sie nach einem halben Jahr als Heilerin ganz gut alleine.
    Es war eine automatische Tätigkeit, mit der sie zuerst die beiden Blutgefäße verschloss, dann die verschiedenen Muskel- und Hautschichten. Ihr Verstand driftete ins Leere, mehrmals musste sie sich ins Hier und Jetzt zurückrufen, wenn ihre Hände wiedermit ihrer Arbeit aufgehört hatten. Schließlich jedoch hatte sie den letzten Hautstich gesetzt und stand auf. Sie wusch sich die Hände in dem Bottich, streifte die Schürze ab und drückte sie einem der Helfer in die Hand, dem sie befahl, den Stumpf zu verbinden. Dann ging sie ihre Runde weiter.
    Als Nächstes waren die verwundeten Druiden an der Reihe, wo sie überrascht war, ein neues Gesicht unter ihnen zu finden. Es war ein muskulöser Mann von ungefähr einsachtzig, mit struppigem, braunem Haar und zwei Zöpfen an den Schläfen. Sein ohnehin nicht attraktives Gesicht wurde von mehreren verkrusteten Kratzwunden entstellt. Ein dicker, blutdurchtränkter Verband verdeckte den Blick auf seinen Hals. Seine Lippen waren eingezogen wie bei einem zahnlosen Alten. Es war Murdoch MacRoberts, einer von Derriens Waldläuferdruiden.
    »Rattenmenschen?«, fragte sie, während sie damit begann, den Verband von seinem Hals zu schälen. »Oder ein Phantom?« Beides waren übernatürliche Wesen. Die Wunden, die sie mit Klauen und Zähnen schlugen, störten die Magie der druidischen Heilkräfte, so dass es mehrere Tage dauern konnte, bis solche Verletzungen abgeheilt waren. Keelin hatte das bereits am eigenen Leib erfahren.
    »Rattenmensch«, erwiderte Murdoch barsch.
    Keelin zog überrascht die Augenbrauen nach oben. »Nur einer?« Es hieß, dass ein Rattenmensch keine Chance hätte im Zweikampf gegen einen Kämpfer-Druiden. Und Murdoch war, soweit Keelin wusste, ein Kämpfer-Druide par excellence.
    »Der Wichser hatte eine götterverdammte Axt!«, fluchte er lispelnd. »Aber was sage ich das einer Heilerin? Du hast wahrscheinlich noch nicht einmal eine Ratte
gesehen
!« Keelin war überrascht, dass ihr Murdochs feucht-spuckende Aussprache nichts mehr ausmachte. Wahrscheinlich hatte sie in den letzten Tagen einfach zu viel Eiter und blutigen Durchfall auf den Fingern gehabt, was war da schon ein bisschen Speichel?
    Die Wunde unter dem Verband sah böse aus. Der Biss der Ratteging tief. Im Wundgrund inmitten von infiziertem, blutigem Gewebe sah sie eine Arterie pulsieren. Viel hatte wohl nicht gefehlt. Zwar hätte ihn der Biss des Rattenmenschen selbst dann nicht getötet, wenn er seine Halsschlagader erwischt hätte, aber die Heilung einer tödlichen Verletzung hätte gedauert. Die Ratte hätte alle Zeit der Welt gehabt, Murdoch mit dessen eigenen Druidendolch zu erledigen.
    Sie stand auf und ließ ihn zurück, um frische Tücher und etwas Tinktur zu holen. Anschließend machte sie sich daran, dem Druiden einen neuen Verband anzulegen. »Ich habe übrigens schon

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