Schattensturm
inzwischen
genügend
Kriegsgefangene und Leibeigene, die für eine Hochzeit mit seinen Töchtern und Söhnen in Frage kamen. Und was war mit seiner Frau selbst? Cintorix hatte ihm Alanna gegeben. Würde er sie ihm wieder wegnehmen? Was passierte mit dem Ritual der Entwurzelung, wenn man die Ehe brach, auf der das Ritual beruhte? Würde er wieder zum Germanen werden? Konnte ihn Cintorix wieder zum Leibeigenen machen? Dafür, dass Baturix seinen Kopf hingehalten hatte, als Cintorix’ Kopf in der Schlinge steckte?
»Halt endlich still, Germane!«, knurrte eine wütende Stimme links neben ihm. »Wir wollen schlafen!«
Baturix entschuldigte sich und versuchte, sich nicht mehr hin-und herzuwälzen. Insgeheim verfluchte er den Mann jedoch: Es war ohnehin laut und unruhig. Von draußen hörte man nur zu deutlich den Lärm der Hauptstreitmacht, die gerade erst im Lager angekommen war. Über die feucht schimmernde Zeltwand flackerte das Licht der Fackeln, und da behauptete Hastus, dass
er
ihn vom Schlafen abhielt?
Doch dies war wohl nun sein Schicksal, beleidigt und angeschnauzt zu werden von Männern, die noch vor wenigen Wochen so tief unter seinem Rang gestanden hatten, dass sie es von sich aus nicht einmal gewagt hätten, ihn anzusprechen! Doch nun war er einer von ihnen, nein, schlimmer, er war noch weniger. Er war herrenlos, keiner der Gardisten, kein Druide, niemand hatte sich bisher dafür ausgesprochen, ihn in ihr Gefolge zu nehmen. Und wer von den Anführern fallen gelassen wurde, gab die ideale Zielscheibe für den Spott der Männer ab. Er mochte sich nicht vorstellen, was Alanna dazu sagen mochte, wenn er nach Hause kam. Sein Rang und damit sein Einkommen, das bisher ihr aller Leben bestimmt hatte, waren verspielt. Und Markus, ihr Erstgeborener, war tot, gefallen in der Schlacht von Espeland.
Tränen stiegen in seine Augen, als er an Markus dachte, den lebensfrohen Jungen, den Alanna vor sechzehn Jahren geboren hatte,
nein, vor siebzehn Jahren, er hätte inzwischen Geburtstag gehabt
. Er hatte ihn an ihre Brust gelegt und ihn gewickelt, hatte ihm die ersten Lieder vorgesungen und die ersten Schritte beigebracht, ihn alles gelehrt, was er später einmal wissen musste als ein Mann, der der Erstgeborene eines Bannerträgers war. Nun war er tot.
»Baturix!«, schnaubte draußen eine Stimme. »Wo steckst du denn, verdammter Germane! Ich weiß, dass dein Zelt hier irgendwo steht!«
Baturix hielt mucksmäuschenstill. Er wollte nicht darauf reagieren, nicht wieder hinaus müssen in die Kälte und den Regen. Er musste morgen früh genug aufstehen, um mit der Vorhut zu marschieren. Wenn sie ihn schon verstießen, warum konnten sie ihn dann nicht einfach in Ruhe lassen? Warum sollten sie ein Rechtdarauf haben, jederzeit in sein Leben einzudringen und ihn daran zu erinnern, was er verloren hatte?
»Jetzt antworte schon«, zischte Hastus. »Vielleicht können wir endlich schlafen, wenn du weg bist!«
Baturix schälte sich verdrießlich aus dem Schlafsack. »Hier bin ich«, rief er. Mühsam kletterte er über die Krieger, die sein Zelt teilten, zum Ausgang.
»Na endlich«, murrte Septus. »Dachte schon, du hättest dich verdrückt! Zieh dich an und pack deine Waffen, ich brauche dich! Und bring den Rest deiner Zeltmannschaft gleich mit, wenn sie sowieso schon wach sind! Ich warte unten am Ufer.«
Baturix beeilte sich dem Befehl nachzukommen. Seine Kleider waren klamm vom vielen Regen, das Leder war hart und steif. Es war widerlich, jetzt, wo er aufgewärmt und getrocknet war, in das nasse Zeug schlüpfen zu müssen. Währenddessen versuchte er, die Worte von Hastus und den anderen auszublenden, die ihm böse Vorwürfe dafür machten, dass sie ihn nun begleiten mussten.
Draußen regnete es noch immer. Baturix entzündete eine Fackel und wärmte seine Hände über dem knisternden Feuer, während er mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze auf die anderen wartete. Mit Schild und Speer ausgerüstet liefen sie dann den Hang hinab zum Strand.
Im Windschatten einer großen Eiche wartete im Schein einiger Fackeln bereits ein gutes Dutzend Männer, allesamt dick eingepackt in Umhänge und Kapuzen. Der Anführer, ein Druide namens Diviciacus, dessen Hauptmann sowie Septus trugen Kettenhemden, ein paar andere waren mit Lederrüstungen ausgestattet, doch die meisten hatten nichts als ihre Schilde und Speere. An der Eiche hing ein dickes Hanfseil und führte hinab über den schottrigen Strand zu einer der Fähren, die die Armee auf
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