Schattensturm
ihrem Marsch den Fjord entlang begleitet hatten. Es war ein breites Boot aus rötlichem Fichtenholz. Anstelle des Masts besaß die Fähre auf beiden Seiten je sechs Riemen, mit Platz für zwei Mann auf jeder Bank. Bug und Heck waren nach oben gezogen, wo ein Totenschädelin das Holz geschnitzt war. Dort hingen auch Fackeln in hölzernen Halteringen.
»Männer«, murmelte Diviciacus, »wir machen einen Erkundungsgang auf die andere Seite des Fjords. Jemand bildet sich ein, dort Feuerschein gesehen zu haben. Also werden wir dort hinüberrudern, uns umsehen und dann wieder zurückkommen. Haltet Augen und Ohren offen und bleibt zusammen, dann sind wir im Nu wieder hier und können unter unsere Decken kriechen.« Der junge Druide wirkte jedoch gar nicht müde, ganz im Gegenteil. Seine Augen blitzten aufgeregt, seine Hände spielten nervös am Heft des Schwerts an seiner Seite. Er trug einen dunklen Umhang über seinem Kettenhemd und einen bronzenen Helm, dessen rötlicher Schimmer durch die Linien zahlreicher Musterungen unterbrochen wurde.
Ein paar der Männer murrten ihre Zustimmung, doch die meisten nickten nur grimmig. Baturix zuckte zusammen, als direkt neben seinem Ohr eine wütende Stimme flüsterte: »Was hast du uns da eingebrockt, Germane?« Es war Hastus, den Baturix in diesem Augenblick gerne verflucht hätte. Noch mehr aber ärgerte er sich über Septus, der ihm in das Ganze mit hineingezogen hatte. Offenbar war auch er, wie Majestus und Magnus zuvor, darauf aus, sich an Baturix zu rächen.
»In das Boot«, befahl Diviciacus laut.
Die Männer begannen, über das Strandgeröll hinunter zur Fähre zu steigen. Baturix griff nach Speer und Schild und folgte ihnen. Er fühlte sich merkwürdig leicht und wunderte sich etwas darüber, bis ihm bewusst wurde, dass es das Gewicht des Kettenhemdes war, das fehlte. Seine Beine waren trotzdem wie Blei, die Märsche waren auch ohne metallene Rüstung anstrengend genug. Er überquerte knirschenden Schrittes den Strand und bestieg über die niedrige Bordwand die Fähre, wo er sich eine freie Bank suchte. Er war etwas überrascht, als sich, nachdem vier seiner Zeltgenossen an ihm vorübergegangen waren, Septus auf den freien Platz neben ihn setzte.
Diviciacus’ Hauptmann, ein Mann namens Brennus, band das Seil von der Eiche los und kletterte als Letzter an Bord. Diviciacus gab den Ruderbefehl. Offenbar hatte er bereits Erfahrungen im Umgang mit einem solchen Boot, denn unter seinen Kommandos löste sich die Fähre geschickt vom Ufer und schwamm unter dem einigermaßen gleichmäßigen Ruderschlag der Krieger schnell in die Dunkelheit der Nacht.
Die Anstrengung für Schultern und Arme war überraschend angenehm nach den Märschen der vergangenen Tage. Der Fackelschein vom Ufer hinter ihnen wurde schnell zu kleinen, flackernden Leuchtpunkten in finsterer Nacht. Kraftlos, aber beständig trommelte der Nieselregen auf die Bootsplanken und die Wasseroberfläche und rann von Helmen und Nasen herab.
»Warum tust du das?«, fragte Baturix nach ein paar Minuten leise. Er war müde, und die Tatsache, dass ihn sein Status als Herrenloser erneut in Schwierigkeiten gebracht hatte, hatte eine frustrierte Erschöpfung in ihm zurückgelassen. Er wusste, dass ihm eine solche Frage nicht zustand, doch es war ihm in diesem Moment egal.
»Ich habe gedacht, du könntest die Abwechslung gebrauchen«, erwiderte Septus unwirsch.
»Ich könnte eine Nacht Schlaf gebrauchen.«
»Schlaf?« Septus spuckte in den Mittelgang. »Ich habe gar nicht gewusst, dass du so ein Mädchen bist, Germane!«
Baturix seufzte innerlich. Er hätte nichts sagen sollen. Doch für diese weise Erkenntnis war es zu spät, weshalb er antwortete: »Diese Nacht arbeite ich für Euch. Die letzte Nacht stand ich für Majestus Wache, und die Nacht davor hatte ich mich um Magnus’ Pferd zu kümmern.«
»Oh.« Septus klang nicht wirklich überrascht. »Und ich dachte schon, ich würde dir
helfen
!«
»Helfen?« Baturix lachte bitter. »Die Männer aus meinem Zelt
hassen
mich dafür, dass ich sie jede Nacht wach halte!«
»Ruhe im Boot!«, murrte Brennus aus der ersten Bank.
Septus senkte seine Stimme, so dass sie im Knarzen der Ruder, dem Wellenschlag sowie dem beständigen Trommeln des Regens auf seinem Helm beinahe unterging. »Die Männer aus deinem Zelt haben sich schon lange zuvor dafür entschieden, dich zu hassen, Germane. Sie hassen dich, weil es einfach ist, dich zu hassen. Du warst jahrelang der Glückspilz
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