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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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verwunderte. Wer ihm einmal begegnet war, konnte meist nichts mehr berichten (aufgrund eines jähen Endes). Deshalb speiste sich alles Wissen über die Schreckliche Flöte aus den Legenden der Elfen und Kobolde, die diese über die grausamen Waldmonster gesponnen hatten. Daneben gab es noch einige Stiche, die tote Flöten zeigten. Zwei kühne Jäger hatten die Leichen der H’san’kore einst tief im Goldenen Wald entdeckt und sie für Unsummen verkauft (einen Körper bekam der Orden, den anderen erwarb ein Sammler).
    Vor dreihundert Jahren hatte außerdem ein ebenso verwegener wie dummer Baron aus dem Grenzkönigreich eine H’san’kor-Jagd veranstaltet. Obwohl die Hälfte seiner Männer dabei umkam, brachten sie es fertig, die Kreatur lebend zu fangen. Noch während die geifernden Magier des Ordens zum Baron eilten, zerlegte die Schreckliche Flöte den Käfig, in den man das Untier aus Unwissenheit gesteckt hatte, und verwandelte das ganze Schloss sowie das benachbarte Dorf in Kleinholz. Danach wartete es in aller Gemütsruhe auf die Magier, um diese abzumurksen. Wie sich zeigte, bewirkte die Kampfmagie bei dem Monster nicht das Geringste. Immerhin gelang es dann einem Erzmagier, das Untier mit einem Mühlstein zu erschlagen.
    Aber das waren Ereignisse aus längst vergangenen Tagen. Wir dagegen hatten weder einen findigen Erzmagier noch einen Mühlstein zur Hand, wir konnten nur reglos auf der Erde liegen und die Luft anhalten. Schon wieder erklang das Flötentrillern. Hol mich doch das Dunkel, wie nah das war! Der ersten Flöte antwortete unverzüglich die zweite.
    »Ich bin ein Baum«, flüsterte ich leise vor mich hin. »Ich bin unsichtbar!« In meiner Furcht standen mir die Haare zu Berge.
    Kli-Kli gab mir einen Fußtritt und legte den Finger an die Lippen. Ich bedeutete ihm mit einem Blinzeln, dass ich verstanden hatte: Ja, ich würde die Klappe halten.
    Von unserem Unterschlupf aus hatten wir eine hervorragende Sicht auf den Pfad. Immer wieder zerrissen die Triller die nächtliche Stille. Uns blieb nichts, als Sagoth anzuflehen, die Monster mögen uns nicht bemerken.
    »Die jagen jemanden!«, flüsterte Mumr – was ihm sofort einen kräftigen Schlag von Aal eintrug.
    Das, was ich gleich sehen würde, sollte sich für immer in mein Gedächtnis einbrennen.
    Ein Mann kam über den Pfad gerannt. Nein, nicht gerannt – geflogen. Er berührte den Boden kaum und stürmte mit Sprüngen von drei Yard vorwärts, um den Monstern zu entkommen. Wenn er es darauf anlegte, würde er bestimmt so schnell wie ein Pferd rennen. Sein grauer Umhang blähte sich in seinem Rücken wie die Flügel eines Nachtvogels, das Gesicht war unter der Kapuze verborgen. Er trug eine Lanze mit schwarzem Schaft und einer sehr breiten, blattförmigen Spitze.
    In nur vier Sekunden war der Mann aufgetaucht, an uns vorbeigejagt und wieder zwischen den Bäumen verschwunden.
    Und dann kamen sie. Erst erklang die Flöte, danach schoss eine dieser Kreaturen um die Ecke. Sie rannte so schnell, dass ich sie nicht mal richtig zu Gesicht bekam, lediglich ein rot-schwarz-grünes Etwas mit überlangen Armen und Beinen wahrnahm. Uns bemerkte der H’san’kor zum Glück nicht, dazu war er viel zu sehr auf seine Beute versessen. Abgesehen davon hatten ja Miralissa und Kli-Kli für unsere vorübergehende Unsichtbarkeit gesorgt.
    Nun erklang auch die andere Flöte und kündete davon, dass sie bereits sehr nah war. Der H’san’kor, der eben an uns vorbeigestürmt war, antwortete ihr. Das zweite Monster sprang auf den Pfad, stolperte allerdings und blieb unmittelbar vor unserem Unterschlupf stehen. Die Augen, in denen ein violettes Feuer loderte, blickten in unsere Richtung. Ich presste mich auf den Boden. Das war meine Gelegenheit, mir das Untier genau zu betrachten.
    Die dreimannshohe Figur wirkte entsetzlich hager, Arme und Beine waren sehr lang, der Kopf saß auf einem spindeldürren Hals und erinnerte an einen Froschschädel, der mit Leder überzogen war. Fell oder Schuppen hatte das Monster zwar nicht, dafür war die Haut rot, schwarz und grün gestreift. Bei der Nase handelte es sich um eine schwarze Delle, die riesigen Augenhöhlen nahmen die halbe Visage ein und brannten mit einem violetten Feuer. Auf dem Kopf saßen kurze, gedrehte Hörner. Aus irgendeinem Grund hatte ich immer angenommen, das Monster müsse viele Zähne haben, aber als es die Lippen bleckte, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass in seinem Maul nicht mehr als fünf krumme,

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