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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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zufriedenlässt, bringe ich dich eigenhändig um.«
    Auf dieses Gedicht war ich rein zufällig gestoßen, als ich im alten Turm des Ordens nach den Karten von Hrad Spine gesucht hatte. Es stammte von jenem Magier, der das Horn des Regenbogens in die Beinernen Paläste gebracht hatte.
    »Das reicht«, stellte Kli-Kli zufrieden fest, nachdem ich die letzten vier Zeilen deklamiert hatte. »Vergiss es aber nicht! Und behalte auch im Hinterkopf, dass eine Strophe geändert wurde. Das habe ich dir ja schon gesagt. Im Buch der Prophezeiungen heißt es …«
    »Ja, ja, ich weiß«, fiel ich ihm ins Wort. So unglaublich es auch klingt, aber in diesem Augenblick wollte ich nur noch eins: möglichst schnell nach Hrad Spine entschwinden, damit mir die Vorträge Kli-Klis erspart blieben.
    »Wie undankbar du bist, Garrett«, murrte Kli-Kli. »Aber eines Tages wirst du dich noch an die Güte eines gewissen Kobolds erinnern, nur ist es dann zu spät! Beug dich runter!«
    »Was?«
    »Du sollst dich zu mir runterbeugen! Ich bin zu klein, um an dich heranzureichen!«
    Ich tat, was er verlangte, obwohl ich mit dem Schlimmsten rechnete. Kli-Kli stellte sich auf Zehenspitzen und hängte mir jenes tropfenförmige Medaillon um den Hals, das er in der Harganer Heide, am Grab der toten Zauberin, gefunden hatte. Dieses Stück verfügte über die unschätzbare Eigenschaft, jeden Schamanenzauber zu neutralisieren, der unmittelbar auf den Träger gerichtet war.
    »Die Elfen und Orks haben da unten magische Fallen aufgestellt. Dieses Medaillon schützt dich zumindest gegen einige davon.«
    »Danke, Kli-Kli«, sagte ich, von seiner Großzügigkeit ergriffen.
    »Bring es mir zurück«, schnauzte Kli-Kli. »Und bring dich bei der Gelegenheit auch gleich selbst wieder mit. Und am besten auch noch das Horn.«
    Ich stieß ein Schnauben aus.
    »Es wird Zeit, Dieb«, sagte Mylord Alistan in diesem Augenblick.
    »Ja, Mylord.« Zum hundertsten Mal vergewisserte ich mich, nichts vergessen zu haben. Schließlich schulterte ich die Armbrust. »Wartet zwei Wochen auf mich! Wenn alles gut geht, bin ich dann zurück.«
    »Wir warten drei Wochen.«
    »Gut. Sollte ich dann aber nicht da sein, kehrt um.«
    »Wenn du bis dahin nicht wieder da bist, wird jemand anders hinuntergehen. Ohne das Horn trete ich nicht vor meinen König.«
    Ich nickte. Mylord Ratte war ein hartköpfiger Mensch, der nie aufgab, bevor er sein Ziel erreicht hatte.
    »Nimm das, Garrett.« Egrassa hielt mir einen Armreif aus rotem Kupfer hin. »Streif ihn dir über!«
    Ein unscheinbarer Armreif, wenn auch sehr alt und mit abgegriffenen Runen der Orks.
    »Was ist das?«
    »Dieser Armreif verrät mir, dass du noch lebst und wo du dich aufhältst. Und er bringt dich an den Wächtern des Kaju vorbei.« Der Elf deutete ein Lächeln an. »Er wurde geschaffen, um seinen Träger gegen die Totenwächter zu schützen. Aber ich an deiner Stelle würde lieber nicht blind darauf vertrauen. Die Probe aufs Exempel habe ich nämlich auch noch nie gemacht.«
    Ich nickte dankbar und streifte mir den Reif über die linke Hand. Offenbar gefiel es Sagoth, Garrett heute mit Blech zu behängen. Sei’s drum! In dem Gedicht wurden die Wächter des Kaju erwähnt, und wenn der Elf meinte, der Armreif würde mich vor den blinden Wachtposten in den Elfengräbern schützen, dann sollte ich froh über das Geschenk sein.
    »Mögen dir die Götter beistehen«, wünschte mir der Elf zum Abschied.
    »Enttäusche deinen König und dein Königreich nicht, Garrett«, brachte Mylord Alistan pathetisch heraus und sprach mich diesmal sogar mit meinem Namen an.
    »Viel Erfolg!« Aal drückte mir kräftig die Hand.
    Deler und Mumr folgten seinem Beispiel. Hallas druckste und reichte mir schließlich die Pistole: »Hier! Die letzte. Du nimmst sie doch, oder?«
    »Danke, Hallas, aber besser nicht. Sie macht zu viel Krach. Außerdem würde das Pulver feucht werden, wenn die Terrassen geflutet sind«, lehnte ich die Gabe ab.
    »Viel Erfolg, Schattentänzer«, brachte Kli-Kli heraus und schniefte.
    »Erwartet mich in zwei Wochen zurück«, sagte ich noch einmal, ehe ich mich umdrehte und auf den schwarzen Abgrund zuging, der ins Herz der alten Gräber führte.

Kapitel 4

    Der Weg zum Flügeltor
    Die Fackel zischte und fauchte grimmig. Offenbar hatte sie etwas dagegen, in die finstere Dunkelheit einer unterirdischen Welt gebracht zu werden. Ich verstand sie bestens. Jene Selbstmörder, die freiwillig in die aufgegebenen Friedhöfe

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