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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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abermals einen Stein zu Boden, den ich eigens dafür von oben mitgenommen hatte. Der laute Aufprall bewies mir, dass niemand auf mich wartete. So ließ ich mich vollends hinunter, gab dem Seil in Gedanken den Befehl, sich zu lösen, rollte es ein und befestigte es am Gürtel.
    Der Spaziergang konnte beginnen!
    Ich stand inmitten eines kleinen, leeren Saals mit acht brennenden Fackeln und einem Durchgang in jeder Wand und starrte auf die Karten. Wo war Norden, wo Süden? In einer solchen Tiefe war das unmöglich zu sagen, doch zum Glück gab es im Einzugssaal, wie er in den Karten hieß, einen klaren Hinweis für solche Dummköpfe wie mich, die Hrad Spine unbedingt einen Besuch abstatten wollten. An der Decke hatte nämlich eine geschickte Hand einen riesigen Pfeil angebracht, der nach Norden wies. Und auf den Durchgang, der sich hinten rechts befand.
    Nach dem Gesetz der universellen Schweinerei lenkte dieser Pfeil meine Schritte selbstverständlich in den dunkelsten und engsten Gang, der zudem auch noch nach oben, also nicht nach unten führte. Ich blieb vor dem Durchgang stehen und lauschte aufmerksam. Nichts rührte sich. Kein Laut war zu hören. Die nächste Fackel brannte erst vierzig Schritt weiter vorn. War das wirklich mein Gang? Ich holte die Karten noch einmal heraus. Ja, offenbar war er das. Mein Blick huschte ein letztes Mal sehnsüchtig zu den drei breiteren und helleren Gängen hinüber. Nun gut, Karten lügen nicht.
    Der Gang war so schmal, dass meine Schultern die Wände berührten und ich mich wie eine Krabbe seitlich vorwärtsbewegen musste. Immer wieder horchte ich in die Stille hinein, denn alle Geschichten über das Böse, das hier unten erwacht war, kamen mir in den Sinn. Zum Glück vernahm ich jedoch nie irgendwelche unerklärlichen Geräusche. Auf diese Weise arbeitete ich mich zur ersten Fackel vor, dann zur zweiten und weiter zur dritten. Da der Gang unverändert leicht anstieg, quälte mich nach wie vor die Sorge, den falschen Weg eingeschlagen zu haben. Die achte Terrasse musste doch unter der ersten liegen, nicht darüber. Bei der siebten Fackel blieb ich stehen und versuchte, sie aus ihrer Halterung zu ziehen, doch vergebens, sie saß wie angeschmiedet fest.
    Irgendwann hörte der Anstieg endlich auf. Der Gang knickte scharf ab und gabelte sich. Diesmal konnte ich auf die Karten verzichten, da ich mich genau erinnerte, welche Abzweigung ich zu nehmen hatte.
    Ehrlich gesagt hatte ich von der ersten Terrasse mehr erwartet. Oh, nicht dass ich enttäuscht gewesen wäre, aber die Gerüchte über Hrad Spine hatten sich doch als stark übertrieben herausgestellt. Mir waren weder Zähne noch Fänge, gierige Schlünde, ewige Dunkelheit oder andere Schauerlichkeiten begegnet, Sagoth sei gepriesen. Von mir aus durfte ruhig auch der weitere Weg so langweilig und eintönig sein. Wenn ich es recht bedachte, hätte ich mich vor der ersten Terrasse wirklich nicht ängstigen müssen. Bis zu den Schichten der Oger war es noch weit, und das Flügeltor auf der dritten Terrasse schützte die oberen Ebenen zuverlässig gegen das Böse aus der Tiefe.
    Deshalb fanden sich die Gräber der Menschen ja in der zweiten Terrasse, einige auch in der dritten (in der Nähe des Flügeltors) und natürlich in der sechsten, wo die Knochen der heldenhaften Krieger ruhten. Das Grab Groks in der achten Terrasse stellte eher die Ausnahme als die Regel dar.
    Die erste Schicht erwies sich als ein Geflecht von Sälen, Gängen und Räumen. Zweimal verlief ich mich und musste zur letzten Abzweigung zurückkehren. Überall umfingen mich triste Wände aus grauem Basalt, die nicht den geringsten Schmuck aufwiesen und oft genug kaum behauen waren. Obwohl ich dreimal zu einer Treppe gelangte, die nach unten führte, widerstand ich der Versuchung, denn in den Karten waren sie nirgendwo zu finden. Wer weiß, wie weit sie mich von meinem Ziel weggebracht hätten. Viermal legte ich eine Rast ein. Die Trostlosigkeit und das Halbdunkel dieses Ortes trieben mich in Mutlosigkeit, mir brannten die Augen, dröhnte der Kopf und schmerzten die Beine. Als ich endlich die richtige Treppe erreichte, seufzte ich auf vor Erleichterung.
    Die Stille der schweigenden Säle setzte mir zu. Am liebsten hätte ich laut geschrien, nur um ein Geräusch zu hören. Trotz der ungeheuren Tiefe war es aber gar nicht kalt, ganz im Gegenteil. Es ging auch kein Lüftchen, die Flammen der Fackeln zitterten nicht, die Schatten tanzten nicht über die Wände. Auch war die

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