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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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hinabstiegen, ließen sich an einer Hand abzählen (und das war höchstens leicht übertrieben).
    Zweimal blieb ich stehen und drehte mich zurück. Beim ersten Mal hatte ich kaum einhundertundfünfzig Schritt gemacht und wollte gern noch einen letzten Blick ins Sonnenlicht werfen. Weit hinter mir schimmerte ein kleines Rechteck aus Licht. Der Ausgang. Die Welt der Sonne und der Lebenden lag hinter mir, die Welt der Finsternis und der Toten wartete auf mich. Als ich mich beim zweiten Mal umdrehte, gab es auch hinter mir nichts als Dunkel.
    Der Gang führte tiefer und tiefer in die Erde hinein. Er war völlig leer, die Wände bestanden aus gelbem Sandstein oder etwas Ähnlichem. Unter der Decke wehte ein leichtes Lüftchen, das die Fackel zum Tanzen brachte. Mein riesiger Schatten fiel, über die Wand zuckend, in diesen Tanz ein. Irgendwann tauchten an den Wänden die ersten Bilder und Inschriften auf, allesamt auf Orkisch. Anfangs waren sie kaum zu bemerken, denn ungeachtet der ewigen Dunkelheit, die hier unten herrschte, waren die Farben stark verblasst. Zweihundert Yard später traten sie jedoch deutlich hervor. Ich sah mir die Bilder aber nur flüchtig an, die Inschriften verstand ich ohnehin nicht.
    Nur einmal blieb ich stehen, nämlich als die Fackel ein Schlachtengemälde beleuchtete. Oger kämpften gegen Wesen, die haargenau so aussahen wie diese Zwitter aus Vogel und Bär, die jene Schatulle Balistan Pargaides schmückten, in der er den Schlüssel aufbewahrt hatte. Am unteren Bildrand stand etwas geschrieben, dessen Bedeutung mir jedoch verschlossen blieb. Nach weiteren tausend Yard waren die Mauern dann über und über mit Bildern in grellen Farben bedeckt. An ihnen hatte der Zahn der Zeit schon nicht mehr genagt.
    Der Gang bohrte sich schnurgerade in die Erde hinein, Abzweigungen gab es keine. Aufrichtig dankte ich Sagoth, nicht an Tiefenangst zu leiden.
    Meine Schritte hallten mit dumpfem Echo vom Boden wider, schlugen gegen die Wände und verstummten unter der hohen Decke. Schließlich erlosch meine Fackel, sodass ich die andere anzünden musste. Wie schnell doch die Zeit vergangen war!
    Hier unten war es zu meinem Erstaunen weder kalt, noch roch es feucht oder modrig. Trockene warme Luft strich mir übers Gesicht und stieg nach oben auf. Wie zum Dunkel konnte in dieser Tiefe Wind entstehen?!
    Dann kamen die Treppen, zuerst kurze mit nur drei oder vier Stufen, schließlich aber immer längere. Gänge und Treppen wechselten sich nun ab und führten mich immer weiter in Tiefe und Dunkelheit hinein.
    Irgendwann beschloss ich, zu rasten und etwas Wasser aus der Flasche zu trinken. Noch immer lag die erste Terrasse in weiter Ferne! Seufzend holte ich die in Drokr, den wasserundurchlässigen Stoff, eingewickelten Karten von Hrad Spine heraus. Wo genau ich mich befand, vermochte ich nicht zu sagen, doch der Gang musste sich bald wie eine Spirale winden. Sechs große Schleifen würden mich zur ersten Terrasse bringen. Von dort aus musste ich mich dann weiter in die Tiefe schlagen, bis hinunter zur achten Terrasse! Dort lag das Grab des Feldherrn Grok – und auf dessen Grabplatte das Horn des Regenbogens.
    Wenn mir das Glück hold war, bräuchte ich eine Woche. Wie lange man wohl zur achtundvierzigsten Terrasse unterwegs wäre? Oder bis zu jenen Schichten, in die seit Jahrtausenden kein lebendes Wesen mehr einen Fuß gesetzt hatte?
    Dann also weiter!
    Als das Licht meiner Fackel abermals auf eine Inschrift fiel, blieb ich wie angewurzelt stehen. Die Worte waren in der Sprache von uns Menschen geschrieben. Ich hielt die Fackel dicht an die Wand. Ja, genau, wie ich vermutet hatte: Die Buchstaben zeigten eine dunkelrostrote Farbe. Blut. Nur drei Wörter: GEH NICHT HINUNTER ! Nach ein paar Schritten stieß ich auf die zweite Warnung: KEHR UM ! Jemand hatte nicht mit Blut (hoffentlich war es nicht das eigene) gegeizt, um Wandersleute wie mich davon in Kenntnis zu setzen, dass ein lebender Mensch hier unten nichts verloren hatte. Vielen Dank, mein unbekannter Freund, doch für mich ist es längst zu spät umzukehren. Ich hatte einen Kontrakt mit dem König.
    Nach der sechsten Windung wurde es im Gang endlich hell. Zunächst hielt ich das für eine Sinnestäuschung, doch dann gewahrte ich ein schwaches graues Licht, das von den Wänden auszugehen schien. Der Boden fiel nun stark ab, sodass ich mich langsam und vorsichtig vorwärtsbewegen musste, um mir eine Schlitterpartie auf dem Hintern zu ersparen. Da es nicht wieder

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