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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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ihren Fratzen allerdings sogar diesen steinernen Götzen das Fürchten gelehrt.
    Aus dem Maul eines Gargoyles ergoss sich hellklingend das Wasser in eine flache Schale in seinen Händen. Ich nutzte die günstige Gelegenheit, trank mich satt und füllte meine bereits ziemlich leere Flasche nach.
    Ein weiterer Unterschied bestand darin, dass es auf der zweiten Terrasse keine Fackeln gab. Stattdessen kam das Licht von einem Feuer, das in den Händen der Gargoyles oder in kleinen Käfigen unter der Decke zuckte. Verschiedentlich strömte es auch von der Decke herab. An einigen Stellen leuchtete es jedoch so schwach, dass der Raum im Dämmerlicht lag.
    Die Beinernen Paläste machten nun auch ihrem Ruf als größtem Friedhof alle Ehre. Bereits kurz hinter dem Eingang zur zweiten Terrasse stieß ich auf zwei Sarkophage mit massiven Deckeln. Neugierig trat ich an einen der beiden Steinsärge heran und las das Schild mit dem Namen des Verstorbenen und dem Jahr seines Todes. Er musste vor gut siebenhundert Jahren bestattet worden sein. Noch in Ranneng hatte mir Kli-Kli eingeschärft, mal in einen Sarkophag hineinzusehen, um herauszufinden, ob da wirklich ein Toter drin lag.
    Natürlich war ich nicht so wahnsinnig, irgendetwas auf die dummen Ratschläge des Kobolds zu geben. Man musste ein Muskelprotz wie Met sein, um den Deckel auch nur einen Viertelzoll zur Seite zu schieben. Und wer weiß, was es einem Toten, der in seiner Ruhe gestört worden war, beliebte, mit mir anzustellen?
    Deshalb setzte ich meinen Weg fort und blieb nur anfangs hier und da vor einem Sarg stehen, um den Namen des Verstorbenen zu lesen. Da es jedoch immer mehr Sarkophage wurden, hätte es mich zehn Jahre gekostet, alle Namen zu lesen. Das konnte ich mir nicht erlauben. Außerdem sollte ich zuallererst darauf achten, nicht in den falschen Gang einzubiegen.
    Inzwischen standen die Särge sogar übereinander und ragten bis zur Decke auf, sodass das Ganze wie eine Ansammlung gewaltiger Bienenwaben aussah. Häufig schmückte ein gemeißeltes Porträt des Verstorbenen den Sargdeckel, noch häufiger wurden die Toten jedoch nicht in einem Sarkophag, sondern in Nischen in den Wänden bestattet, die anschließend vermauert wurden. Oder im Boden, in den man dann eine Grabplatte eingelassen hatte, die an den Verstorbenen erinnerte.
    Ich durchstreifte Säle, Gänge, Galerien, Stollen und Räume. Ein Ende schien nicht in Sicht. Und überall empfingen mich Friedhofsstille, Gräber und Gargoyles, die jeden Eindringling mit blinden Augen verfolgten.
    Nach einer ganzen Weile traf ich auf den ersten Toten. Er lag auf dem Boden, Arme und Beine von sich gestreckt. Seine bereits zerfallene Kleidung und die blanken Knochen zeugten davon, dass er bereits vor langer Zeit gestorben sein musste.
    Dieser Art von Toten gab ich den Vorzug, denn sie bereiten die geringsten Schwierigkeiten, grapschen nicht nach dir, krächzen nicht, wollen dich nicht verspeisen oder mit anderen Gemeinheiten erfreuen. Kurz und gut, bei dieser Art handelt es sich um eine wohlerzogene Leiche. Die Kleidung beunruhigte mich allerdings, denn sie zeigte graue und blaue Farben. Man brauchte kein ausgemachter Schlaukopf zu sein, um davon auf eine Uniform zu schließen. Auch das zerbrochene Schwert neben den Gebeinen sprach dafür, dass der Mann zu Lebzeiten ein Soldat gewesen war.
    Die Antwort auf die Frage, wie ein Soldat Stalkons hierherkam, meinte ich zu kennen: Er hatte an der ersten Expedition teilgenommen, die das Horn des Regenbogens holen wollte. Damals war kein einziger Mann aus Hrad Spine zurückgekehrt, und Alistan Markhouse hatte in den Beinernen Palästen mehr als vierzig Mann verloren. Dieser Soldat dürfte einer von ihnen gewesen sein. Vielleicht täuschte ich mich aber auch, und der Tote war ein Teilnehmer der zweiten Expedition, die ebenfalls in diesen düsteren unterirdischen Gewölben ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte.
    Der Schädel war so zerquetscht, als sei ein Mammut aus den Öden Landen voller Inbrunst darübergestampft. Wie der Mann wohl umgekommen sein mochte? Ich beugte mich vor und betrachtete den Toten recht aufmerksam. Mit einem Mal fiel mein Blick auf eine schwarze Tasche, die unter ihm lag.
    Ohne jeden Ekel (Knochen sind schließlich bloß Knochen) schob ich das Gerippe zur Seite und hob die Tasche auf. Der Stoff hatte Blut aufgesogen und fasste sich deshalb ganz steif an. Die Tasche enthielt ein Buch, das jedoch über und über mit Blut beschmiert

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