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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Flucht hatte ich vollständig die Orientierung verloren, den Weg zurück zu meiner Tasche – und den Karten – würde ich niemals finden. Ohne Karten würde ich es wiederum weder bis zur achten Terrasse noch zurück ans Tageslicht schaffen. Alles, was mir geblieben war, waren meine Jacke und die Leinentasche mit dem Pullover und den Smaragden. Im Grunde war ich also längst ein toter Mann.
    Und da trank ich den Wein – der all meine Sorgen fortspülte. Bis ich dann aufwachte …
    Dies also war die Geschichte. Als ich vor sechs Stunden aufgewacht war, hatte sich im Saal nicht das Geringste verändert. Wie stur diese Untoten doch waren!
    »Was glotzt ihr mich so an, ihr Mistviecher?!«
    Selbstverständlich erhielt ich keine Antwort, ja, diese Angegammelten röchelten nicht einmal. Ich wurde auf frechste Weise übergangen. Ich hätte gern meine Armbrust auf die Schufte abgefeuert, hatte aber leider keine Bolzen mehr. Deshalb musste ich mich damit begnügen, die leere Flasche in die Menge zu werfen. Sie überschlug sich mehrmals in der Luft, traf einen der Mieflinge, riss ihm die obere Hälfte seines verfaulten Kopfes weg, ohne auch nur auf den leisesten Widerstand seitens des Schädels zu treffen. Ungerührt blieb der Untote halbköpfig stehen.
    Wenn jetzt doch eine Horde hungriger Gholen hereinstürmte! Diese kleinen Biester würden es den Toten schon zeigen!
    »Ein hübscher Anblick, oder?«
    Die Stimme, die durch den Saal schallte, ließ mich jäh hochfahren.
    Er stand im Schatten der Säule, sodass ich nur die Umrisse einer dunklen Silhouette mit gewaltigen Flügeln wahrnahm. Die goldenen Augen funkelten mich spöttisch an. Die Toten übersah der Sendbote völlig, umgekehrt galt das übrigens genauso.
    »Kann man so sagen.«
    Sosehr ich mich auch bemühte, gelassen zu wirken, meine Stimme verriet mich.
    Der Diener des Herrn! Der Sendbote! Hier! In diesem Saal! Unmittelbar vor meiner Nase! Mein Mund wurde trocken, meine Hände schweißfeucht, mein Rückgrat schmolz. Konnte es noch einen Zweifel daran geben, dass jemand die Toten hierher getrieben hatte? Und zu welchem Zweck?
    »Ich habe dir ein Angebot zu unterbreiten.« Dem Sendboten schien meine Furcht entgangen zu sein.
    »Was für eins?« Es gelang mir tatsächlich, nicht in Ohnmacht zu fallen.
    »Es geht um die Flasche vierhundert Jahre alten Weins. Ich tausche sie gegen einen Zwieback. Einverstanden?«
    Mir klappte der Unterkiefer herab. Der tat ja gerade so, als habe er nicht die geringste Absicht, mir das Licht auszublasen.
    »Ach, wie dumm! Das hatte ich ganz vergessen! Du hast sie ja gerade in die Menge geschleudert. Noch dazu in leerem Zustand. In diesem Fall ziehe ich mein Angebot zurück.«
    Daraufhin holte der Sendbote aus und warf einen Zwieback in die Zombies hinein.
    Wenn mich nicht alles täuschte, knirschte ich mit den Zähnen. Der Kerl machte sich über mich lustig.
    »Du bist weit gekommen, Dieb. Das kann nicht jeder von sich behaupten. Umso beschämender ist natürlich dieses Ende, noch dazu wegen solcher Kreaturen. Willst du da oben eigentlich noch lange hocken bleiben?«
    »Mir gefällt die Aussicht.«
    Mir war schleierhaft, was der Sendbote mit diesem Angebot im Schilde führte, aber mir würde er keine Angst einjagen – weil es auch nicht mehr das geringste freie Eckchen dafür in mir gab.
    »Wirklich? Da hatte ich einen anderen Eindruck. Aber dann habe ich mich wohl geirrt.«
    Ich erwiderte kein Wort. Es kam mir so vor, als grinste der Sendbote.
    »Gut, Garrett, dann wollen wir unumwunden zur Sache kommen.«
    »Zu welcher Sache, Sendbote?«
    »Oh, du kennst ja meinen Namen!« Er lachte. »Bist du selbst auf ihn gekommen oder hast du ihn gehört, als du durch die Besitztümer meines Gebieters gestreift bist? Was macht im Übrigen deine Wunde? In der Urwelt, in die du ja auch schon geraten bist, versteht man sich doch nach wie vor aufs Heilen, oder?«
    Abermals erwiderte ich kein Wort.
    »Der Herr hat mich zu dir geschickt, um dir einen Ausweg aus dieser Falle anzubieten. Bist du daran interessiert, oder soll ich wieder gehen?«
    »Ich bin interessiert, fahr fort!«
    »Gut. Vergiss den Kontrakt, vergiss das Horn des Regenbogens – und es soll dein Schade nicht sein.«
    »Du willst mir diesmal nicht den Bauch aufschlitzen?«
    »Warum sollte ich? Außerdem hätte ich dich längst umgebracht, wenn ich das wollte. Also! Was hat dir der König versprochen? Fünfzigtausend? Was würdest du dann von dreihunderttausend halten? Oder lieber

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