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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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gelben Stümpfe seiner Zähne bleckend und fauchend, auf mich hatte stürzen wollen – beide Beine zerquetscht.
    Im vorletzten Saal vor der Treppe erwartete mich allerdings noch eine besondere Überraschung, nämlich gut sechs Dutzend Tote. (Wie hatten sie es eigentlich geschafft, sich zusammenzurotten?) Gleich Soldaten hatten sie sich in Reihen formiert. Ich sprang behände in die schützende Dunkelheit des Ganges zurück. Das war eine echte Herausforderung! Nachdem ich einen Feuerbolzen eingelegt hatte, betrat ich den Saal erneut.
    Erstaunlicherweise bemerkten mich die Toten immer noch nicht, vielmehr glotzten sie alle in die entgegengesetzte Richtung. Was gab’s da bloß zu sehen?
    »Könntet ihr mir wohl eine Minute eure Aufmerksamkeit schenken?!«, schrie ich, wie vom Wahnsinn gepackt.
    Daraufhin geriet das erstarrte Meer der Toten in Bewegung. Erst drehte sich einer zu mir um, dann ein zweiter, schließlich zehn, zwanzig, und am Ende stierte mich der ganze Saal an. Von Verwesung zerfressene Gesichter. Gelbe, schwarze, graue und grüne Haut voller Geschwüre und Löcher. Einem fehlte die Nase, einem anderen ein Auge, einer hatte den Kiefer verloren, ein anderer den Arm. Durch das abgebröckelte Fleisch und die grauen Fetzen dessen, was einst ihr Totenkleid gewesen war, schimmerten nun die Knochen hindurch. Schädel lächelten mir zu, Hände griffen nach mir. Und dann marschierten die Leichen geschlossen auf mich zu.
    Den ersten Bolzen feuerte ich in die Menge. Eine Explosion, Gestöhn und Geschrei folgten.
    Das zweite Mal schoss ich so an die Decke, dass sich das Licht wie die Sonne über die Zombies ergoss. Nachdem ich auch noch Katzenspeichel zum Einsatz gebracht hatte, zog ich mich rasch in den Gang zurück, um die Armbrust nachzuladen.
    Als ich dann in den Saal zurückkehrte, wäre ich an dem Gestank beinahe erstickt. Auf dem Boden pulste und blubberte es, das Fleisch schmolz, die Knochen zerfielen. Einzig fünf Tote zeigten noch zarte Zeichen von Leben (auch wenn das frevelhaft klingt), sie wanden sich in Krämpfen und wimmerten. Ohne viel Federlesens schickte ich einen weiteren Feuerbolzen an die Decke und zog mich noch einmal in den Gang zurück.
    Dort blieb ich eine knappe halbe Stunde, damit der Gestank im Saal abziehen konnte. Dann bat ich Sagoth, er möge mir beistehen, denn es widerte mich über die Maßen an, durch diese wässrige Brühe zu waten, die vor Kurzem noch menschliches Fleisch gewesen war. Aber was blieb mir übrig? Nase und Mund mit dem Arm schützend, stapfte ich los.
    Selbstverständlich hatte sich der Gestank nicht verzogen. Er trieb mir die Tränen in die Augen und ließ meinen Magen rebellieren. Ich stapfte vorwärts, bis ich mich übergeben musste. Bei jedem Schritt schmatzte es unter meinen Füßen, der Boden war glitschig, und nur durch ein Wunder landete ich nicht in dieser Plörre.
    Schließlich gelangte ich zu einem gewundenen Gang, ging acht Stufen nach unten, bog um – und erreichte endlich den gesuchten Saal.
    »Krepieren sollt ihr alle!«, entfuhr es mir.
    Hier gab es keine Treppe mehr, die mich zur siebten Terrasse hinuntergeführt hätte.
    Ich war genau eine halbe Stunde zu spät eingetroffen. Wäre ich nur schneller vorangekommen und hätte diesen Saal vor dem Erdbeben erreicht! Vielleicht hatten die Baumeister der Beinernen Paläste für diesen Saal weniger Mühe aufgewandt und die Decke nicht gestützt, vielleicht war es auch mein ganz besonderes Glück. Jedenfalls lag zwischen mir und der Treppe ein Wall aus Steinblöcken und Schutt – den abzutragen Jahre kosten würde.
    Was sollte ich jetzt tun? Ich kehrte in den Gang zurück, setzte mich unter eine Fackel und holte zum millionsten Male die Karten und Papiere heraus.
    Was ich ihnen entnahm, ermutigte mich nicht gerade. Dies war die einzige Treppe weit und breit. Wohl oder übel musste ich zu meinem Ausgangspunkt hier auf der sechsten Terrasse zurück und von dort aus einen anderen Weg nach unten nehmen. So lang wie der war, konnte ich mich allerdings auch gleich ins Grab legen – oder den Schutthaufen abtragen.
    Ich war fürchterlich müde, aber hier zu schlafen, das wäre einem Selbstmord gleichgekommen. Die Wahrscheinlichkeit aufzuwachen, weil jemand, der schon lange tot war, aber unter entsetzlichem Hunger litt, mein Bein benagte, war doch erheblich. Deshalb stiefelte ich wieder los, alles Weitere würde sich finden.
    Ich verirrte mich im Gewirr der Gänge und Säle, lief aber trotzdem immer weiter. Mir

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