SchattenTod | Ein Weserbergland-Krimi
hätte.
Das Foto zeigte ein frisches Grab, das nett zurecht gemacht war. Das Verstörende an diesem Bild war jedoch, dass diese letzte Ruhestätte einen Grabstein mit ihrem Namen trug.
Er
Sie waren etwas Besonderes, diese jungen Dinger, vor allem wenn sie noch so unschuldig waren. Nur weil er einmal Pech gehabt hatte, hieß das nicht, dass alle solche Flittchen waren. Oder er musste sich dahingehend orientieren, dass er sie pflückte, bevor sie zur Frau erblühten. Vielleicht war genau das die Lösung. Eine Venus, die gerade dabei war, ihre ersten Knospen zu entwickeln mit leichtem Flaum unter den Achseln und an den wunderbaren Stellen, die noch niemand berührt hatte. Das war wichtig für ihn. Kein Mann durfte je seine Hand an sie gelegt haben. Sie sollte nur ihm gehören, und sie durfte noch nicht bereit sein, Kinder zu empfangen. Dann würde sie sein wie die Frauen, die er versucht hatte zu erschaffen. Doch diese Venus würde ihm länger bleiben.
Rieke
Dass Frank Habichthorst im Grunde genommen eine Mogelpackung war, blieb Rieke lange Zeit verborgen. Möglicherweise hatte sie dies auch gar nicht wahrhaben wollen. Mit nichts als der Kleidung auf seinem Leib, ein paar Noten und einem Koffer war er damals zu ihr gekommen. Nach und nach versorgte sie ihn mit allem, was er benötigte, um wenigstens halbwegs manierlich das Haus verlassen zu können.
Dabei war ihr Budget sehr bescheiden. Anschaffungen für Frank und die Kinder standen lange Zeit im Vordergrund. Sie selbst gönnte sich nichts.
Auch als nach und nach die Klavierschüler ausblieben, durch die Frank wenigstens ein paar Euro verdiente, schimpfte Rieke nicht. Sie stockte ihren Halbtagsjob auf und ging den ganzen Tag arbeiten. Immerhin hielt Frank das Haus ordentlich und kochte für die Familie. Sie schätzte es auch, dass immer jemand da war, wenn eines der Kinder nach Hause kam.
Im Laufe der Jahre wurde Frank jedoch zunehmend unbeweglicher. Gartentätigkeiten stellte er wegen seines Rückens ganz ein. Ein Lagerungsschwindel enthob ihn von weiteren Verpflichtungen des Alltags wie Einkaufen oder Autofahrten. Letztlich blieb nur noch das Kochen, das Staubwischen und Saugen, das er Rieke abnahm. Alles andere blieb an ihr hängen. Die Zecke hatte sich tief in sie hineingebohrt.
Es war auf der einen Seite gut, dass die Kinder inzwischen aus dem Haus und damit aus der Schusslinie waren. Frank hatte sie zunehmend als Dorn im Auge empfunden. Die beiden hatten ihr jedoch das eine oder andere abgenommen. Nun war sie für das Meiste selbst verantwortlich und kam an ihre Grenzen. Der Vollzeitjob, die Gesangsproben und Auftritte forderten ihren Tribut. Freizeit blieb ihr kaum noch. Franks zunehmende Eifersucht auf ihren gesanglichen Erfolg machte die Probleme nicht kleiner. Sie war ratlos. Was einmal gut begonnen zu haben schien, löste sich nach und nach auf. Es fühlte sich an, als bröckele auch noch das letzte bisschen Verbundenheit entzwei, als wären sie plötzlich zwei Menschen, die unterschiedliche Muttersprachen erlernt hatten und sich deswegen nicht mehr verständigen konnten.
Das Mädchen
Es blieb den Lehrern in der Schule verborgen, dass das Mädchen eine ganz eigene Intelligenz besaß, die sich mit pädagogischen Methoden nicht unbedingt messen ließ. Als sie in der ersten Klasse einige Zeit gefehlt hatte und ein Diktat schreiben musste, kannte sie das Wort „See“ nicht und malte stattdessen Wellenlinien, die Wasser darstellen sollten.
Die Mutter lachte darüber. Sie freute sich über die Kreativität ihrer Tochter. Gleichzeitig schüttelte sie den Kopf über die Lehrerin, die das nicht vorhandene Wort als Fehler markiert hatte.
Wahrscheinlich hätte das Mädchen eine andere Form des Lernens gebraucht. So blieb sie, obwohl sie intelligent war, weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und flüchtete sich in die Sicherheit des unverschuldeten Unvermögens.
Nadja
Die Wedges begannen schon lecker aus dem Ofen zu duften, als Wolf Hetzer sich zu Peter und Nadja setzte. Er stutzte erst, als er sah, wie Nadja mit geschlossenen Augen an der Schulter seines Kollegen lehnte. Peter schien wie zur Salzsäule erstarrt, als ob er sich nicht bewegen wolle, um den Moment zu konservieren. Er hatte sich nicht einmal getraut, den Arm um Nadja zu legen. Das holte er jetzt nach und streichelte der Rechtsmedizinerin über ihr wirr durcheinanderstehendes Haar. Da war nichts zu zerstören an ihrer Frisur. Sie sah immer so aus, als sei sie soeben dem Bett nach einer
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