SchattenTod | Ein Weserbergland-Krimi
der achtzig und schwerhörig“, sagte Peter beruhigend. „Jetzt bring mich mal auf deinen Wissensstand!“
„Später, mein Bärchen“, murmelte Nadja und kuschelte sich an ihn. „Nach den wunderbaren Kontraktionen meiner Gebärmutter möchte ich mich jetzt nicht über welche unterhalten, die dazu nicht mehr in der Lage sind.“
Wenig später schlief sie in Peters Arm ein, der jetzt ganz wach war und dieses selige Gefühl genoss, dass sie ihm so sehr vertraute.
Leander
Es war Luise entgangen, dass Leander in aller Stille und Heimlichkeit begonnen hatte, seine Sachen zu packen, um aus dem gemeinsamen Leben auszubrechen. Lange hatte er sich seine Neigung zu Rieke selbst nicht eingestanden, später hatte er nicht den Mut gehabt, etwas zu unternehmen. Er stand im Licht der Öffentlichkeit, wollte kein Aufsehen erregen. Auch wusste er die Verbindung zwischen Rieke und diesem komischen Kauz Frank Habichthorst nicht einzuschätzen. Der Mann war fast zwanzig Jahre älter als Rieke und hatte etwas Raubvogelartiges an sich. Nur Rieke zuliebe hatte er ihn das Klavier spielen lassen. Es gab weiß Gott andere Pianisten. Der Zufall hatte seine Hand im Spiel gehabt und ihn neulich an einer Auseinandersetzung teilhaben lassen. Seitdem wusste er, dass Frank sie nicht lieben konnte. So ging man mit keiner Frau um. Außerdem hasste er Menschen, die sich auf Kosten anderer in den Mittelpunkt stellen mussten. Habichthorst war so ein Mensch. Jedem, der es hören wollte oder nicht, erzählte er von seinen großen Auftritten, die er in den vergangenen vierzig Jahren erlebt hatte. Rieke blieb immer im Hintergrund, obwohl sie es war, die hier als Sopranistin im Rampenlicht stand. Etliche Zuhörer kamen nur wegen ihrer glockenhellen, glasklaren Stimme.
Leander verstand es nicht, dass sie sich selbst so in die zweite Reihe stellte.
Aus der anfänglichen Neigung war eine Verbundenheit entstanden. Jetzt fühlte er, dass es Liebe war, was sie verband. Er konnte nicht bleiben. Hier nicht bei Luise, die ihn nur als Dorn in ihrem Auge empfand und bestenfalls als ihren Versorger.
Glücklicherweise war Luise am späten Vormittag aus dem Haus gegangen. Leander nutzte die Gelegenheit, sich einige Bücher, die ihm ans Herz gewachsen waren, aus dem Wohnzimmer zu holen und seinen Bruder anzurufen, ob er ihn ein paar Tage aufnehmen könne. Erst dann war er halbwegs beruhigt.
Gegen Mittag hatte er zwei Koffer und drei Taschen gepackt. Lediglich seine Badutensilien fehlten ihm noch und der besondere Öffner für seine Weinflaschen aus der Küche. Leider hatte er nicht bemerkt, dass Luise inzwischen zurückgekehrt war und ihn dabei erwischte, wie er den Korkenzieher aus dem Schrank über der Spüle herausnahm und in seine Kulturtasche steckte.
„Hast du irgendwas vor?“, fragte sie mit schneidender Stimme. „Willst du irgendwo ficken gehen oder wozu brauchst du Waschzeug und Korkenzieher?“
Leander fuhr zusammen und räusperte sich. „Nein, Luise, das will ich nicht, aber ich verlasse dich.“
„Ja, hau ruhig ab“, schrie sie, „ich liebe dich sowieso nicht mehr!“
„Und warum?“, wollte Leander wissen.
„Weil ich dich nicht mehr leiden kann. Du machst mich krank!“
„Das verstehe ich nicht.“
„Ich verabscheue dich. Du widerst mich an. Und du glaubst wohl, dass ich ohne dich nicht zurechtkomme, aber da irrst du dich.“
Luises Stimme wurde immer lauter. Sie redete sich in Rage.
„Du weißt genau, dass ich mich lange um dich bemüht habe, Luise. Immer wieder habe ich versucht, eine gute Ehe mit dir zu führen, aber du wolltest nicht“, sagte er beruhigend.
„Und wo willst du jetzt hin?“
„Zu meinem Bruder!“
„Das kannst du dem Weihnachtsmann erzählen. Ich weiß genau, wo du hingehst.“
„Ach ja, wohin denn?“
„Du gehst zu diesem Rauschgoldengel, diesem Fickhäschen mit der tollen Stimme, die es dir so angetan hat. Glaubst du, ich bin blöd? Unterschätz mich nicht!“, schrie sie mit kreischender Stimme.
Leander hatte weder damit gerechnet noch so schnell realisiert, dass Luise in Windeseile ein Messer aus dem Holzblock gezogen hatte. Vor Schreck ließ er die Kulturtasche fallen und wich ein Stück zurück. Doch er hatte die übermächtige Kraft der Raserei nicht bedacht, die sich in Luise entfesselt hatte. Als sie zustach, war er erstaunt, wie wenig das Eindringen der Klinge schmerzte. Doch das war nur der erste Moment. Als er an sich herabblickte und den Griff des Ausbeinmessers aus seinem Leib ragen
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