SchattenTod | Ein Weserbergland-Krimi
abgelenkt oder anderweitig angesprochen hat. Möglicherweise sind diese Frauen nicht die richtigen für ihn?“
„Da könntest du etwas Wichtiges gesagt haben, Nadja, eventuell hat er eine andere im Sinn.“ Wolf stand vom Tisch auf und ging durchs Wohnzimmer.
„Ja, aber was ist, wenn die dann seine Erwartungen auch nicht erfüllt? Fängt der Hirnkranke dann wieder von vorne an?“
„Er muss sich ziemlich sicher sein, dass er diesmal richtigliegt“, sagte Wolf, „sonst hätte er sich nicht alle Altlasten vergangener Morde vom Hals geschafft.“
„Genau diesen Eindruck hatte ich“, stimmte Nadja zu, „er hat sich frei gemacht für etwas Neues und ganz anderes.“
„Wir lassen das jetzt erst mal im Raum stehen, und jeder von uns denkt noch weiter darüber nach. Vielleicht fallen uns noch andere Dinge auf. Informierst du Peter?“, fragte er mit einem Schmunzeln, das sie nicht sehen konnte.
„Kann ich machen“, gab sie zurück und streichelte Peters Bein grinsend.
Moni, die dem Gespräch einseitig zugehört hatte, schüttelte den Kopf. „Da habt ihr es aber wirklich mit einem schlimmen Fall zu tun!“
Wolf nickte und fragte sich, was momentan in seinem Leben schlimmer war, der Dienst oder das Privatleben. Er konnte keine Entscheidung treffen.
Er
Er erinnerte sich noch genau an jenen Tag. Ganz normal wie jeder andere hatte er begonnen. Es war ein Sommertag gewesen. Die Vögel hatten seit dem Morgengrauen ein Konzert gegeben, die Sonne war satt über dem Weserbergland aufgegangen und hatte ihr erstes Licht rotgolden auf die Grashalme und Sträucher gelegt. Später sagte er sich, sie sei an jenem Morgen aus einem Blutbad aufgestiegen. Er hätte sie normalerweise um diese Uhrzeit nicht bemerken können, weil sein kleiner Körper noch schlief, aber die Unruhe, die sich im Haus breitgemacht hatte, hatte auch von ihm Besitz ergriffen.
Angst kann durch Wände sickern oder unter Türritzen hindurchkriechen. Sie liegt klamm auf Decken oder schwingt in einem unfreiwilligen Schweigen mit.
Er wusste es noch wie heute, dass er mit einem Mal erwacht war und sie spüren konnte, hautnah, die Todesangst.
Leander
Das Leben, das Leander und Luise führten, war schon lange kein gemeinsames mehr. Er hatte sich in seine Arbeit geflüchtet und war darin aufgegangen. So konnte er sich von der Tatsache ablenken, dass er nicht dazu imstande war, eine einmal geschlossene eheliche Verbindung wieder zu lösen. Der äußere Rahmen stimmte immerhin. Nicht alles war schlecht gewesen. Sie kochte, putzte und wusch für ihn, nur die Liebe war aus seinem Leben verschwunden. Und er hatte versucht, sie zu vergessen, aber das war ihm nicht immer gelungen. Es gab einsame Nächte, in denen er sich mit fast körperlichem Schmerz nach diesem Gefühl sehnte. Er vermisste die Nähe eines anderen Menschen, die Nähe einer Frau, in deren Augen er sehen konnte, dass sie ihn liebte. Ihm fehlte die Geborgenheit gegenseitiger Berührungen, das Kuscheln und Halten. Er hatte erkannt, dass ein Genug viel zu wenig war, dass ein Rahmen von scheinbarer Normalität nicht darüber hinwegtäuschen konnte, wie arm seine Ehe geworden war. Wenn er ihr beiwohnte, ließ sie dies im günstigsten Fall einfach über sich ergehen. Und trotzdem hatte er den Gedanken an ein außereheliches Verhältnis niemals ernsthaft erwogen. Denn auch das hätte ihm niemals genügt. Er wollte lieben und geliebt werden.
Das Gefühl, das in Riekes Augen lag, hatte ihn aus dem geduldigen Gleichmaß des Alltags erweckt wie ein Dornröschen aus dem hundertjährigen Schlaf. Sie hatte ihn umgehauen wie ein Seesturm, weil er plötzlich erkannte, dass sie ihm immer am Herzen gelegen hatte. Sein Leben, das zum Stillstand gekommen war, hatte erneut Fahrt aufgenommen. Seine Uhr tickte wieder.
Rieke
Es war noch am Vormittag, als Rieke ihren Kindern erzählte, dass sie sich von Frank getrennt hatte. Die beiden waren müde und reagierten gelassen. Sie hatte fast den Eindruck, als ob sie etwas abwesend waren.
„Kommt ihr mit dieser neuen Situation zurecht?“, fragte Rieke. „Es könnte sich einiges ändern.“
„Besser als vorher. Das kannste mal glauben. Ich bin froh, wenn ich dieses Arschloch nicht mehr sehen muss!“, sagte Felix eine Spur zu vehement.
Lena nickte mit feuchten Augen und fragte: „Wie kommt es, dass du jetzt endlich Nägel mit Köpfen machst?“
„Das hat verschiedene Gründe. Über einige davon möchte ich gerne später mit euch sprechen. Vielleicht gegen
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