SchattenTod | Ein Weserbergland-Krimi
Schreien war einem animalischen Brüllen gewichen.
„Ja“, keuchte er, als er wieder sprechen konnte, „ich wollte sie richtig durchficken, aber die blöde Kuh hat angefangen zu heulen. Da ist mir die Lust vergangen.“
Die Wut des Fremden war jetzt so groß, dass er sich zwingen musste, ruhig zu sprechen.
„Wie alt war die Kleine da?“
„Vierzehn“, lachte Frank dem Wahnsinn nahe, „aber ich hätte sie auch jünger genommen!“
Das war zu viel für den Mann, der das Seil in der Hand hielt. Er riss an dem Tau und ließ Frank in der Luft hängen. Der unmenschliche Schmerz sorgte dafür, dass Frank die Kontrolle über seine Blasen- und Darmfunktion verlor und in erlösende Bewusstlosigkeit versank.
Doch die Ruhe wollte ihm der Fremde nicht gönnen. Er hatte sein Allerheiligstes berührt, seine Venus. Sehenden Auges sollte er in den Tod gehen. Wütend riss er ihm die Augenbinde ab. Frank erstarrte, als er erkannte, wen er da vor sich hatte.
Der Mann ohrfeigte Frank, bis er wieder zu sich kam, dann schlug er ihn und trat auf ihn ein, wie ein Boxer auf einen Sandsack. Frank hing jetzt frei im Raum. Seine Bodenhaftung hatte versagt. Nichts hielt ihn mehr, bis auf das Seil, das seinen Körper schwingen ließ wie das Pendel einer Uhr.
Wolf
Nachdem Wolf seine Hündin bei Peter abgegeben hatte, fuhr er nach Bückeburg und klingelte bei Leander Winterstein an der Gartenpforte. Im Haus rührte sich nichts. Er dachte darüber nach, wieder zu gehen, entschied sich dann aber, zur Haustür zu gehen und zu klopfen. Vielleicht war die Klingel abgestellt. Als er näherkam, sah er schon, dass die Tür einen Spaltbreit aufstand. Das war vom Gartentor aus nicht zu sehen gewesen.
Wolf klopfte noch einmal und trat dann ein.
„Hallo“, rief er, „ist da jemand? Die Tür stand auf.“
Aber es kam keine Antwort. Wolf ging ins Wohnzimmer. Auch hier fand er niemanden vor. Mit einem Mal kam es ihm so vor, als hörte er ein Geräusch aus der Küche.
Er hätte in diesem Moment mit vielem gerechnet, aber nicht mit einem Orchesterleiter auf dem Küchenfußboden, dem ein Messer aus der Brust ragte.
Wolf kniete nieder und prüfte, ob da noch ein Pulsschlag zu fühlen war, aber es sah nicht gut aus, fand er. Das Messer schien genau das Herz getroffen zu haben, und so wie es aussah, war es kein kleines Messer. Auch das Blut, das sich auf Hemd und Boden ausgebreitet hatte, sprach eine schaurige Sprache. Wolf wunderte sich, dass er dennoch einen schwachen Pulsschlag fühlen konnte, und rief die Notrufzentrale an. Aus einer inneren Eingebung heraus rief er ebenfalls Nadja auf dem Handy an. Sie war glücklicherweise im Höppenfeld bei ihren Großeltern. In knappen Worten erklärte er die Situation und Nadja machte sich auf den Weg. Natürlich habe sie als Rechtsmedizinerin auch einen Notfallkoffer, hatte sie gesagt und den Hörer aufgeschmissen.
Nadja war noch vor Rettungswagen und Notarzt vor Ort. Sie hockte sich neben Leander Winterstein und schüttelte den Kopf.
„Merkwürdig“, sagte sie, nachdem sie einen venösen Zugang gelegt hatte und die Infusion lief, „ich würde wetten, der Stich ging mitten ins Herz, aber das schlägt noch.“ Mit ihrem Stethoskop horchte sie auf Leanders Brust, mal rechts, mal links, und nickte dann.
„Kannst du dich deutlicher ausdrücken?“, fragte Wolf, aber genau in diesem Moment kamen die Rettungssanitäter und der Notarzt durch die Tür.
Letzterer guckte verdutzt. „Frau Kollegin?“, fragte er. „Bin ich umsonst gekommen?“
„Nein“, sagte Nadja, „bitte übernehmen Sie. Ich war nur ganz in der Nähe. Vielleicht nur noch eins. Der Mann hat sein Herz auf der rechten Seite. Sonst hätte ich ihn wahrscheinlich morgen auf dem Tisch. Darf ich mich vorstellen, Nadja Serafin, Rechtsmedizin Stadthagen.“
„Interessant, Veit Hübenthal, Innere Medizin. Also ein Situs inversus viscerum. Dann können wir davon ausgehen, dass sämtliche Organe gegengleich angeordnet sind. Vielen Dank, Frau Kollegin. Das hat man ja nicht so oft.“
„Ich hätte es mir gerne von innen angesehen, aber ich bin natürlich froh, wenn er überlebt“, sagte Nadja mit einem Augenzwinkern.
„Ist er stabil? Können wir ihn mitnehmen?“, fragte einer der Rettungssanitäter und zeigte den Ärzten das EKG.
Hübenthal nickte.
„Dann noch mal herzlichen Dank und frohe Ostern“, sagte der Notarzt und verabschiedete sich.
„Hab ich das jetzt richtig verstanden? Bei dem Winterstein ist alles andersrum?“,
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