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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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los.
    »Ich habe dir gesagt, dass du mich zurücklassen sollst«, erwiderte ihr Vater wütend. »Ich hätte mein Leben in meinem eigenen
     Bett beenden können.«
    »Seid still!«, befahl Praxi. »Niemand wird sterben!«
    Und zu ihrer aller Überraschung entkamen sie dem Kugelhagel unversehrt, mit nur einem geplatzten Reifen, den sie trotz des
     Rauchs und der Funken, die das Rad versprühte, ignorieren konnten, bis sie sich hinter der Ortsgrenze von Myrtou in Sicherheit
     gebracht hatten.
    Erschöpft hielt Praxi hinter einer Handvoll anderer Wagen am Rande einer Obstplantage im Schatten an. Außer dem alten Televantos
     stiegen alle aus, um sich den Schrecken aus den Gliedern zu schütteln. Über dem Meer kreisten immer noch die dunklen Silhouetten
     der türkischen Kampfflugzeuge, aber der Lärm ihrer Motoren war durch die Entfernung verstummt. Praxi stützte sich mit den
     Händen auf ihre zitternden Knie und atmete tief durch. Ihre Mutter humpelte zu einem Baum und streckte sich nach ein paar
     Orangen aus, damit sie alle wieder etwas Zucker ins Blut bekamen. Die Tochter des alten Televantos bat gerade die anderen
     Flüchtlinge um etwas Wasser, als Elpida entsetzt aufschrie. Praxi eilte sofort zu ihr. Yiannis lag zusammengekrümmt und blutend
     im Kofferraum. Seine Brust hob und senkte sich in raschen, gequälten Atemzügen. Seine Lider flackerten vor Schmerz, und sein
     Blick flehte Praxi um Hilfe an.
    »O Gott, Yiannis. O gütiger Gott …« Sie zog ihn aus dem Wagen und wies Elpida an, seine Füße zu nehmen. Yiannis versuchte
     etwas zu sagen, besaß aber nicht mehr die Kraft dazu.
    »Hol Hilfe!«, befahl Praxi ihrer Tochter, bevor sie sich an Elena wandte. »Mamma, ich brauche Wasser!«
    Die beiden eilten davon, und Praxi legte den Kopf ihres Ehemannes behutsam in ihren Schoß. Sie wischte ihm mit ihrem Rock
     das Blut vom Gesicht. Er war bleich und zitterte trotz der sengenden Hitze am ganzen Leib.
    »O Yiannis«, sagte Praxi zärtlich und wiegte ihn sanft. »Meinarmer Yiannis. Hab keine Angst, mein Lieber, Hilfe ist schon unterwegs.«
    An Stelle einer Antwort griff Yiannis nach der Hand seiner Frau.
    »Möge Gott mir vergeben«, flüsterte sie in sein Haar. »Ich habe dir so oft den Tod gewünscht. Aber, Yiannis, ich schwöre dir,
     ich wollte dich niemals in solch einem Zustand sehen. Niemals. Nicht einmal, als ich Apfelkerne gesammelt habe, um dich zu
     vergiften, und mir mehrmals am Tag vorstellte, die Türken würden dich erschießen. Und hier liegst du nun, mit einer türkischen
     Kugel in deiner Brust, und ich halte es nicht aus, wirklich, ich ertrage es nicht.« Praxi brach in Tränen aus, überwältigt
     von einer sehr realen und völlig unerwarteten Trauer. Als Elpida, gefolgt von einem Mann mit Verbandskasten, zurückkehrte,
     hatte der einzige Vater, den sie je gekannt hatte, bereits seinen letzten Atemzug getan, und seine Augen standen weit offen
     vor Fassungslosigkeit.
     
    Kyriakos sah aus wie eine wandelnde Leiche. Seit er seine Frau und ihr Baby bei Verwandten im Süden in Sicherheit gebracht
     hatte, hatte er kein Auge mehr zugetan, und vor Angst und Hunger war sein Blutzuckerspiegel so niedrig, dass seine Hände unaufhörlich
     zitterten. Er führte Michalakis in sein Büro und entschuldigte sich überflüssigerweise für seine längere Abwesenheit. Geduldig
     wartete Michalakis ab, bis sein Freund sich gesammelt hatte.
    »Es ist schlimmer, als du dir vorstellen kannst.« Kyriakos seufzte tief, während Michalakis sein Notizbuch hervorholte. »Es
     wurde hart gekämpft. Wir haben kleine Siege errungen, und die türkischen Zyprer in Pafos und Lemesos haben sich ergeben, aber
     Keryneia ist gefallen. Heute Morgen haben die Türken den Brückenkopf erreicht und ihre Kampfpanzer entladen. Unsere Streitkräfte
     konnten nichts dagegen ausrichten. Sie mussten sich zurückziehen. Sie hatten einfach keine andere Wahl.«
    Das Telefon auf dem Schreibtisch des Politikers gab ein dringliches Rasseln von sich. Zwei Sekunden, nachdem es aufgehört
     hatte, erschien Kyriakos’ Sekretärin im Raum. Ihr verkniffener Gesichtsausdruck machte das Gewicht der Verantwortung deutlich,
     das auf ihr lastete.
    »Glafkos Clerides ist am Apparat«, flüsterte sie.
    Michalakis stand auf und bedankte sich wortlos, während Kyriakos rasch nach dem Telefon griff. Er machte sich eilig auf den
     Weg zum Redaktionsbüro der
Stimme
, die nach den Berichten von der Invasion begnadigt worden war. Am Eingang musste er sich

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