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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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nicht tun.«
    »Du musst.«
    Während sie noch stritten, kletterte Yiannis kleinlaut in den Kofferraum.
    »Bitte, Praxi, ich kann mich allein durchschlagen. Ich werde versuchen, auf schnellstem Wege zu Michalakis nach Lefkosia zu
     kommen. Wenn du kannst, ruf bei ihm im Büro an, und er wird dir sagen, wo ich bin. Ich werde auf dich warten.«
    Bevor Praxi noch ein Wort sagen konnte, griff Loukis in ihren lockigen Haarschopf und presste seine Lippen auf ihre. Er trank
     die Tränen, die ihr aus den Augen rannen, und schluckte ihren Atem, als er sich von ihr löste. Im Kofferraum des Wagens schloss
     Yiannis beschämt die Augen. Vom Rücksitz aus schaute Elpida ihnen erstaunt zu. Loukis riss sich aus Praxis Umarmung und rannte
     los.
    »Praxi, fahr!«, schrie Elena, und ihre Tochter schlug sich aufdie Brust, um das Schluchzen zu unterdrücken, das sich ihrer bemächtigen wollte, bevor sie auf den Fahrersitz glitt.
    »Ich will nicht fort«, wimmerte Herr Televantos neben ihr.
    »Keiner von uns will fort«, erwiderte Praxi schroff. Sie drehte den Schlüssel im Zündschloss und schaute in den Rückspiegel,
     sah jedoch nur den Deckel des Kofferraums. Praxi setzte das Auto vorsichtig zurück, wendete und schloss sich dem Autokonvoi
     an, der gen Westen zog.
     
    »Ich muss zurück«, murmelte Dhespina.
    »Lass Michalakis seine Arbeit tun«, erwiderte Georgios äußerlich ruhig. Auch wenn er es nicht sagte, war er froh, dass Marios
     sich im Ausland und in Sicherheit befand. Im Radio beharrten sie zwar darauf, dass das Gerede von einer Invasion geradezu
     skandalös sei, doch mit jedem Bericht, der aus der Hauptstadt durchsickerte, wurden die Dementis unglaubwürdiger. Wenn die
     Gerüchte nun doch stimmten, rückte die Nationalgarde nach Norden vor. Zehntausend Makarios-Anhänger waren aus dem Gefängnis
     entlassen worden, und der Himmel über dem Gebirgszug des Pentadaktylos war schwarz von türkischen Fallschirmjägern.
    »Ich komme immer noch nicht durch«, berichtete Michalakis seinen Eltern. Er versuchte nun schon seit einer Stunde, Kyriakos
     zu erreichen, und Dhespina konnte seine Unruhe bestens nachempfinden: Dieselbe Stille schlug ihr aus der
Perle von Keryneia
sowie aus Lenyas Haus entgegen.
    »Fahr mich nach Hause«, bat Dhespina ihren Sohn. Michalakis konnte ihr diesen Wunsch jedoch nicht guten Gewissens erfüllen.
    »Man würde uns verhaften, noch bevor wir die Stadt verlassen hätten«, erklärte er ihr.
    »Oder erschießen«, murmelte Maria. Michalakis warf seiner Frau einen warnenden Blick zu, und sie verschwand im Schlafzimmer,
     wo sie sich einsam um das Schicksal ihrer eigenen Eltern sorgte. Als es Nachmittag wurde, bestand kein Zweifelmehr daran, was sich ereignet hatte: Türkische Kampfflieger waren über Lefkosia erschienen und hatten über dem Norden der
     Hauptstadt Bomben abgeworfen, die griechische Häuser in Krater und Kinder in Waisen verwandelten.
     
    »Weißt du, wo du hinfährst?«, fragte Elena ängstlich. Sie beugte sich nach vorn, um ihrem Körper, der von der Fülle von Herrn
     Televantos’ Tochter beinahe erdrückt wurde, ein wenig Luft zu verschaffen.
    »Ich schätze, wir fahren in einer Schleife nach Norden, wenn wir Panagra und Myrtou durchquert haben«, teilte Praxi ihrer
     Mutter mit.
    »Was heißt: ›du schätzt‹?«, wollte Elena wissen.
    »Mamma! Ich folge nur den anderen Autos.«
    »Na ja, das wird schwierig, wenn du noch weiter zurückfällst. Das rote Auto vor uns ist ja kaum noch zu erkennen.«
    Elena deutete auf die kleiner werdende Rückseite eines Nissans, doch ihr Murren wurde plötzlich von knatternden Gewehren unterbrochen.
    »Heckenschützen!«, schrie Herr Televantos. Seine Tochter antwortete mit Jammern und Wehklagen, da sie sich offensichtlich
     soeben der Tatsache bewusst wurde, dass sie ein besonders großes Ziel abgab. Wo Kugeln auf den Straßenrand trafen, spritzte
     der Schlamm auf.
    »O heilige Mutter Gottes!«, betete Elena, als das Fenster auf Herrn Televantos’ Seite zersplitterte und alle gemeinsam aufschrien.
     Hinten im Auto hämmerte Yiannis wie wahnsinnig gegen den Kofferraumdeckel, und Praxi drückte den Fuß aufs Gaspedal, da sie
     nun doch mehr Angst davor hatte, erschossen zu werden, als die Kontrolle über das Auto zu verlieren. Das Pochen aus dem Kofferraum
     wurde immer heftiger.
    »Ist ja gut, ist ja gut!«, schrie Praxi. »Ich fahre so schnell, wie ich nur kann!«
    »Wir werden sterben!«, heulte Televantos’ Tochter plötzlich

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