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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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und
     wann wir wollen!« Dhespina lief los und drängte sich unsanft an dem Soldaten vorbei, der sie daraufhin am Arm packte. Er bereute
     es augenblicklich.
    »Nimm sofort deine dreckigen Finger weg, du Hurensohn!«, schrie sie und funkelte ihn fuchsteufelswild an. Der Soldat zuckte
     zurück.
    »Was hat sie gesagt?«, wandte er sich an Praxi.
    »Sie hat Sie einen Hurensohn genannt«, antwortete sie.
    » Dolofonoi !«
, brüllte Dhespina, nun völlig außer sich.
» Dolofonoi

    »Jetzt nennt sie euch Mörder«, half Praxi aus.
    Dem Soldaten war die Situation sichtlich unangenehm. In den umliegenden Häusern gingen die Lichter an. In ein paar Wochen
     würde er diese verdammte Insel verlassen und heimkehren. Er würde bei seiner Familie sein, sich auf Weihnachten freuen. Das
     Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, von zwei verrückten alten Weibern und einer Halbwüchsigen in einen Aufstand verwickelt
     zu werden.
    »Zurück zum Wagen«, befahl der Soldat seinen beiden Kameraden, die mit jedem weiteren erleuchteten Fenster unruhiger wurden.
    »Jawohl, Sarge.«
    Während die Soldaten den Rückzug zu ihren Landrovern antraten, keifte Dhespina ihnen Hasstiraden hinterher.
» Dolofo
noi
! Dolofonoi! «
, schrie sie und hörte erst auf, als die Wagen der Männer außer Sichtweite waren.
    Als schließlich Ruhe eingekehrt war, kamen die Dorfbewohner aus ihren Häusern geschlichen, um zu sehen, was eigentlich los
     war.
    »Es geht um Loukis, er ist verschwunden«, klärte Praxi die Neugierigen auf. Ein paar Frauen bekreuzigten sich hastig und sprachen
     ihr Mitgefühl aus.
    »Aber ich hab ihn doch heute Nachmittag noch gesehen«, meldete sich der alte Televantos zu Wort.
    »Wo?« Dhespina riss sich aus den Armen der mitleidigen Frauen los. »Wo haben Sie Loukis gesehen?«
    »Er war auf dem Weg nach Keryneia, zumindest sah es so aus. Und ich sage dir: Er war in einer ganz fürchterlichen Verfassung.
     Er schaute so finster drein, liebe Dhespo, man hätte ihn für einen Schurken halten können. Ich hab natürlich versucht, mit
     ihm zu reden, aber – nichts für ungut – du kennst ja deinen Loukis, er gehörte noch nie zu der unkomplizierten Sorte. Er sagte
     die absonderlichsten Dinge, und ich konnte mir in diesem Moment keinen Reim darauf machen … und kann es, ehrlich gesagt, immer
     noch nicht. Ich habe sogar Frau Televantos gefragt, was sie davon hält, aber sie wusste es auch nicht zu deuten …«
    »Was hat er gesagt, Herr Televantos?« Dhespina versagte vor Aufregung fast die Stimme.
    Herr Televantos nickte. »Ja, natürlich, Dhespo, entschuldige. Er hat gesagt, jetzt lass mich kurz nachdenken, welchen Wortlaut
     er genau gewählt hat … Ja, genau, er sagte, dass ich allen, die es wissen wollen, ausrichten soll, dass er sich auf den Weg
     gemacht habe, ein Mann zu werden. Es war wirklich äußerst befremdlich, wenn ich das so sagen darf, ja, wirklich äußerst befremdlich.«

4
    Der Priester war nicht sonderlich überrascht, dass Loukis in der Kapelle auf ihn wartete. Nach der Gräueltat von Ammochostos
     hatten er und die EOKA fast damit gerechnet, dass zumindest einer der Economidou-Brüder sie aufsuchen würde. Er führte den
     Jungen zur Beratung und um Beistand zu leisten in das Hinterzimmer, und Loukis ließ den in Schwarz gehüllten Diener Gottes
     in dem Glauben, dass sein plötzliches Interesse an der
enosis
mit der Ermordung seines Bruders zu tun hatte.
    Loukis nickte nur stumm, während der Geistliche mit Gemeinplätzen auf ihn einredete, und auch seine Aufrufe zum bewaffneten
     Widerstand prallten an ihm ab. Religion war ihm schon immer suspekt gewesen, und so erfüllten ihn die Nähe und die Heftigkeit
     dieses Priesters mit Unbehagen. Loukis glaubte an das, was er sehen konnte: an die Kraft des Windes und des Meeres, an das
     Strahlen der Sonne und den Glanz des Mondes. Er brauchte keine Geschichten, die ihm die eigene Existenz erklärten oder Entschuldigungen
     für die menschliche Natur suchten. Und schon gar nicht brauchte er Gottesdienste, in denen Priester zu den Waffen riefen und
     im selben Atemzug die fleischlichen Sünden verdammten. Doch außergewöhnliche Umstände erforderten außergewöhnliche Maßnahmen,
     und er brauchte nun einmal genau diesen Mann, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Daher schluckte er seinen Ärger hinunter
     und nahm sich die ganze Nacht über zusammen, bis sie am nächsten Morgen die kleine Kapelle von Skylloura erreichten, wo man
     Loukis in einen

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