Schattentraeumer - Roman
Loukis. Ich hab das mit deinem Bruder gehört. Tut mir echt leid. Nicos war ein guter Kerl, ein guter Grieche.«
Loukis blieb am Straßenrand stehen. Gereizt verengten sich seine Augen zu Schlitzen. Es passte ihm weder, den Typen zu sehen,
noch dass es ihm der Anstand gebot, sich seine hohlen Beileidsbekundungen anzuhören.
»Ich versprech dir, die Besatzer werden büßen für das, was sie getan haben«, fuhr Yiannis fort.
»Wie ungemein tröstlich«, gab Loukis höhnisch zurück. Er trat näher an das Auto heran und legte seine Hände bewusst so aufs
Dach, dass Yiannis gezwungen war, seinen Kopf zurückzuziehen.
»Na, dann erzähl doch mal«, verlangte er, »was genau gedenkst du zu tun? Die Briten in die Luft zu jagen, alle über den Haufen
zu schießen oder sie vielleicht doch eher mit deinen Flugblättern in den Selbstmord zu treiben?«
»Sachte, sachte.« Yiannis lachte, für den Fall, dass Loukis Spaß machte, doch es klang schwach und gezwungen.
Loukis zog eine Augenbraue hoch und starrte ihn erwartungsvoll an. Unsicher, wie er reagieren sollte, trat Yiannis aufs Gaspedal
und ließ den Motor aufheulen. Die Economidou-Jungs gingen ihm gehörig auf die Nerven, und er hatte die Nase voll, den netten
Kerl zu mimen.
»Pass mal auf, Kleiner, du hast keine Ahnung, was hier wirklich los ist«, sagte er mit finsterer Stimme oder jedenfalls so
finster, wie er konnte. Dann brauste er ohne eine weitere Erklärung davon.
Loukis blickte Yiannis hinterher, wie er die Straße hinunter verschwand, die kaum mehr war als ein Trampelpfad. Ihm standen
die Nackenhaare zu Berge, und Groll ließ seine Wangen glühen. Der Chevrolet war aus der Richtung von Praxis Haus gekommen,
und trotz aller Bemühungen, es zu ignorieren, hörte er die beiden in seinem Kopf reden. Hörte fade Schmeicheleien, hörte Praxi
kichern, hörte Einladungen zum Tanz. Seine Eifersucht trieb ihn sogar so weit, ein Grammophon spielen zu hören und Hände zu
sehen, fremde Hände, nicht seine, die feucht in ihren lagen. Sie führten sie über eine Tanzfläche, berührten sie wie zufällig
ganz unten am Rücken, drängten an sie heran und nötigten sie, ihre Brüste an seinen Oberkörper zu pressen.
Er hätte den Kerl erwürgen können. Doch es war nicht nur Yiannis, der Loukis’ Geduld strapazierte: Seit über einer Woche entzog
sich Praxi ihm nun schon. Offenbar versuchte sie, sie beide zu schützen, doch es fühlte sich an wie eine Strafe. Nach dem
Tag auf dem Berg waren sie nur noch zwei Mal zusammengekommen, bevor sie vor seinen Berührungen zurückgewichen war und angefangen
hatte, Barrieren aus fadenscheinigen Ausredenzwischen ihnen zu errichten. Loukis pochte das Blut in den Adern, und es fiel ihm schwer, sich zurückzuhalten. Doch als Praxis
Schmerz um Nicos nachzulassen begann, füllte sie die Leere mit Schuldgefühlen, die sie dazu zwangen, sich von ihm zu entfernen
und ihrem Leben Regeln aufzuerlegen, die andere gemacht hatten, die für andere galten, nicht für sie. Loukis wollte sie an
den Schultern packen und durchrütteln, wollte sie anschreien, dass der Rest der Welt von ihm aus zur Hölle fahren konnte,
aber dafür hätte er erst einmal an sie herankommen müssen. In ihrem von Scham und Moral heraufbeschworenen Wahn hatte sie
sich Maria zur Seite gestellt. Egal, wohin Praxi und er nun gingen, wurden sie von der Germanos-Tochter begleitet, die ihm
Gespräche aufnötigte, auf die er nicht die geringste Lust hatte. Und nun war sie schon wieder da, starrte ihn von einem Hocker
aus an, während sich Praxi mit einer Axt abmühte.
Da ihr Vater tot und ihre Mutter noch immer vollends damit beschäftigt war, den Verlust des Erzbischofs zu betrauern, musste
sich Praxi um das Holz für den Winter kümmern. Noch vor ein paar Wochen wäre Loukis eingeschritten, hätte ihr die Axt aus
der Hand genommen und das Holz für sie gehackt. Doch jetzt stand er da wie festgewachsen, Marias Anwesenheit und seine eigene
unbändige Wut hinderten ihn daran, sich auch nur einen Millimeter vom Fleck zu bewegen. Praxi hatte ihn nicht bemerkt und
redete gerade von Yiannis.
»Der hält sich tatsächlich für was Besonderes, oder?«
»Er will mit dir zusammen sein«, stellte Maria fest und sah dabei mit verschmitztem Blick und einem Lächeln auf den Lippen
zu Loukis hinüber.
»Eher friert die Hölle zu, als dass ich
den
Kerl heirate, das sag ich dir!
Dich
kann er mit seinem Auto vielleicht beeindrucken, Maria,
Weitere Kostenlose Bücher