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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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all das?«
    Loukis nickte.
    »Nun, eigentlich ganz klassisch«, meinte der Bezirksoffizier und schnippte sich dabei die Schuppen von den Schultern. »Die
     Mitglieder operieren von sicheren Häusern oder Verstecken aus, und die meisten Zellen bestehen aus fünf bis zehn Leuten. Das
     Hauptquartier ist mobil, um zu verhindern, dass es vom britischen Geheimdienst entdeckt wird, und alle Befehle werden durch
     Boten übermittelt. Wie ich schon sagte, du wirst vermutlich ein Glied in dieser Kette werden. Sollte der Kampf andauern und
     es gut für dich laufen, werden sie dich irgendwann zum bewaffneten Kämpfer befördern – vorausgesetzt, du hast den Mumm dazu.«
    Loukis spürte den prüfenden Blick des Mannes und beschloss, besser nichts dazu zu sagen. Der Bezirksoffizier schien zufrieden.
    »Die EOKA baut auf Verschwiegenheit«, fuhr er fort. »Nur so können wir den Fortbestand der Organisation sichern. Eine Menge
     von euch Jungs, zum Beispiel die drei, die wir gerade zurückgelassen haben, haben das Herz am rechten Fleck, aber Herzen neigen
     zu Stolz, der oft die Zunge löst. Es zahlt sich immer aus, den Mund zu halten, nur so wird man wirklich Teil des Widerstands.
     Wenn du in Troodos ankommst, wird dich der dortige Bezirksoffizier einer Zelle zuteilen, und du erhältst einen Codenamen,
     den nur du, dein Kommandeur und die Mitglieder deiner Zelle kennen. Niemand sonst wird je diesen Namen erfahren, es sei denn,
     du gibst ihn preis, und tust du das nur ein einziges Mal, verdoppelst du das Risiko, verraten, enttarntund gefasst zu werden. Bewahre also stets Stillschweigen, Junge, und vertraue niemandem außer den Mitgliedern deiner Zelle.«
    Loukis wandte den Blick aus dem Fenster und sann über das Gespräch nach. Die Berge, hinter denen Keryneia und die Nordküste
     verschwunden waren, wurden immer kleiner, und vor ihnen erstreckten sich die weiten Ebenen, die in die Hauptstadt führten.
     Loukis liebte dieses Land mit seinen gezackten Gipfeln, den sandigen Stränden und den felsigen Hochebenen. Wenn er auch nicht
     darauf brannte, zu Griechenland zu gehören, musste seine Liebe für die Insel im Augenblick als Grund für seinen Entschluss,
     der EOKA beizutreten, reichen.
    Im Trubel von Lefkosia verabschiedete sich der Bezirksoffizier von Loukis und steckte ihm noch etwas Geld für den Bus nach
     Alona zu. Dort würde ihn ein anderes EOKA-Mitglied in Empfang nehmen und in ein sicheres Haus bringen.
    »Viel Glück«, sagte der Mann zum Schluss, griff Loukis am Arm und zog ihn in eine grobe Umarmung. Dann verschwand er im Chaos
     der wogenden Menschenmasse. Vier Monate später erfuhr Loukis, dass er von den Briten verhaftet und im Zentralgefängnis von
     Lefkosia gehenkt worden war. Er war vierundzwanzig Jahre alt gewesen – und ruhte nun in einem anonymen Grab.
    Der Mann, der Loukis in Alona abholte, erinnerte nicht nur wegen seiner Körpergröße an einen Bär, er war auch extrem bärbeißig.
     Gegen seine ruppige Art, sich jedem Gespräch zu verweigern, wirkte Loukis’ Schroffheit vergleichsweise mädchenhaft – was die
     ohnehin beschwerliche Weiterreise, größtenteils zu Fuß durch felsiges, unwegsames Gelände, noch mühsamer machte. Während ihres
     Marsches immer tiefer in die Wälder hinein, wurde Loukis noch zwei weitere Male an Fremde übergeben, bis er schließlich vor
     seinem neuen Zuhause stand: einem kleinen Landhaus inmitten des dichten Kiefernwalds, der die Hänge um Troodos bedeckte. Der
     Herr des Hauses hieß Demetris Thedosias – und er war Sergeant bei der zyprischen Polizei.
    »Ungefähr zwanzig von uns sind in der EOKA«, erklärte Demetris, als sie abends zusammen am Tisch saßen und sich das
kleftiko
schmecken ließen, das seine Frau Lella zubereitet hatte. »Wer die anderen sind, weiß ich nicht. So läuft das in der Organisation:
     Nur die, die etwas wirklich wissen müssen, wissen es auch. Dich hier bei uns im Haus zu haben ist nicht ganz ungefährlich.
     Aber du hast dich als glaubwürdig erwiesen, und dann ist es unsere Pflicht, alles, was in unserer Macht steht, für dich zu
     tun, solange du unsere Hilfe brauchst. Und natürlich ist es uns auch eine Freude … Ganz nebenbei bemerkt: Solltest du uns
     verraten, schneidet dir die junge Dame hier deinen
polloi
ab.«
    »Demetris!«, rief seine Frau mit gespieltem Entsetzen.
    »War doch nur ein Witz«, beteuerte ihr Mann. »Der Junge weiß das!«
    Und Loukis wusste es.
    Demetris war in jeder Hinsicht ein großer Mann: Als

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