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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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mich ein kleines Geschäft in den Palast des Mylords Pathy geführt hatte.
    Mein Blick wanderte weiter zu einem Mann, der an der Wand stand. Seine rechte Hand ruhte auf dem kunstvoll gearbeiteten Griff eines Langschwerts aus der Kanienschmiede. Er studierte meine bescheidene Person mit derart angewidertem Gesichtsausdruck, als sähe er eine Ratte vor sich. Dabei war dieser Mann doch selbst eine Ratte. Zumindest nannten ihn seine Feinde so: Ratte. Graf Alistan Markhouse, Befehlshaber der Leibgarde Seiner Hoheit Stalkon  IX ., dessen Wappen eine gewöhnliche graue Ratte zierte. Man konnte ihn jederzeit an seiner schweren Ritterrüstung mit der eingravierten Ratte auf der Brustplatte und dem in Gestalt eines Rattenkopfes gearbeiteten Helm erkennen. Böse Zungen behaupteten, Ratte würde den Panzer weder beim Schlafen noch beim Waschen ablegen, aber meiner Ansicht nach waren das haltlose Gerüchte.
    Alistan galt als eine unentbehrliche Stütze unseres durchlauchten Königs. Ihm unterstand der Geheimdienst, er war ein Mann mit eigenem Ehrbegriff, der alle vernichtete und hasste, die seinem ruhmreichen Herrn übel wollten. Er kannte die Kriegsroutine, hatte Zusammenstöße mit Ogern und Riesen am Einsamen Riesen und den Krieg mit den Orks aus Sagraba erlebt. Als der König aus Miranuäch nach dem Krieg gegen die westlichen Klans der Orks aus Sagraba sein Verlangen auf uns richtete, war er mehrfach gegen ihn zu Felde gezogen. Danach war Alistan Markhouse zu demjenigen geworden, der er heute war: zur rechten Hand des Königs, zur Stütze des Throns. Der Soldat betrachtete mich mit stahlharten grauen Augen und kaute auf dem vollen – nach der Mode der Einwohner des Tieflands – bis zur Brust reichenden Bart. Ich hatte nur einen säuerlichen Blick für ihn übrig, bevor ich mir schließlich den vierten Mann ansah.
    Mann – das traf es nicht ganz. Aus eisblauen, in scharfem Kontrast zur grünen Haut stehenden Augen sah mich ein Kobold an, einer von denen, die in den Wäldern Sagrabas leben, in Nachbarschaft von Orks und Elfen.
    Die Kobolde sind ein unglückliches und leidgeprüftes Völkchen. Vom Wuchs reichen diese Wesen kaum an den kleinsten Gnom heran, gehen mir also vielleicht bis zum Nabel. Von Anbeginn der Zeit haben die Menschen, wie immer alles durcheinanderbringend, die Kobolde für Bundesgenossen der Orks gehalten und sie deshalb zu vernichten gesucht. Was für Schauermärchen über Kobolde früher in Umlauf waren! Menschenfresser seien sie, die, wenn man ihnen nicht Einhalt geböte, die gesamte Menschheit auslöschen würden. Dem Dunkel zugeneigt seien sie, bei Vollmond würden sie blutige Rituale durchführen, innerhalb derer sie Jungfrauen quälten, über kleiner Flamme rösteten und mit den blutigen Gehirnen von Fledermäusen beschmierten. Der übliche Humbug eben! Es erübrigt sich wohl, jene Taten zu schildern, zu denen verängstigte, unwissende Menschen imstande sind.
    Mehrere Jahrhunderte veranstaltete man in den Wäldern Sagrabas regelrechte Hetzjagden auf Kobolde, ungeachtet der Gefahr, dabei von Orks überfallen zu werden. Am Ende hatten die Yatagane der Orks und die Schwerter der Menschen ihr Übriges getan und das einst so zahlreiche, friedliche Volk fast ausgerottet. Als man endlich verstand – genauer gesagt: als die Menschen ihren Stolz schließlich überwanden und sich bei den Elfen erkundigten, was es mit den Kobolden auf sich hatte –, waren die wenigen überlebenden Stämme tief ins Dickicht Sagrabas geflohen, wo sie sich mit Hilfe der Magie ihrer Schamanen vor Orks und Menschen versteckten. Selbst da trauten die Menschen dem Frieden noch nicht. Erst vierhundert Jahre später machte sich jemand Gedanken darüber, warum diese ach so schrecklichen grünen Zwerglein sich nicht mit gebleckten Zähne auf die Menschen gestürzt hatten, sondern entsetzt in das Walddickicht geflohen waren. Da endlich begriff man – und ließ die Kobolde in Ruhe. Vor hundert Jahren fing man dann allmählich an, sie in Dienst zu nehmen. Diese kleinen Wesen waren nämlich ausgesprochen einfallsreich, agil, mit einer flinken Zunge gesegnet, und damit bestens als Boten und Spione geeignet. Der Orden der Magier interessierte sich zudem für den Schamanismus der Kobolde, der aus dem der Orks und dunklen Elfen hervorgegangen war.
    Der Schamanismus stellte die älteste Form der Zauberei dar. Er war zusammen mit den Ogern nach Siala gekommen, weshalb die Magier ihm, der Urquelle aller Magie, großes Interesse

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