Schattenwanderer
entgegenbrachten.
Dieser Kobold war ein Narr. Darauf deuteten sowohl seine Kappe mit den Glöckchen als auch das rot und blau karierte Gewand und der Stab, den er in seiner grünen Hand hielt. Er hatte es sich im Schneidersitz auf dem Teppich bequem gemacht. Sobald er den Kopf drehte, stimmten die Glöckchen ein fröhliches Geklimper an. Als der Kobold bemerkte, dass ich ihn neugierig musterte, grinste er mich an, dabei eine Reihe nadelspitzer Zähne entblößend. Er rümpfte die lange Hakennase, zwinkerte mit einem seiner blauen Augen und streckte mir seine bordeauxrote Zunge heraus. Ein Narr bei der Arbeit – das hatte mir noch gefehlt!
Ich richtete den Blick auf den letzten Unbekannten im Raum, vor dessen Sessel der Kobold kauerte. Äußerlich erinnerte der Mann an einen erfolgreichen Schankwirt. Er war dick, klein, hatte einen Glatzkopf und gepflegte Hände. Seine Kleidung war mehr als bescheiden. Ein einfaches, grobes Obergewand aus Schafsfell, wie es die Bauern, die in der Nähe des Einsamen Riesen leben, herstellen. Es schützt hervorragend gegen die Januarfröste. Wurde es dem Mann damit denn nicht zu warm? Braune Soldatenhosen. Ein absolut grauer und unauffälliger Mann – wenn man von dem dicken Goldring mit dem gewaltigen Rubin an seiner rechten Hand und den Augen absah. In diesen braunen Augen spiegelten sich Geist, Stahl und Macht. Die Macht des Königs.
Ich verbeugte mich tief und verharrte in dieser Stellung.
»So, so«, murmelte Stalkon IX .
Es war seine Stimme gewesen, die ich gehört hatte, als man mich in das Zimmer führte.
»Das ist also dieser Dieb, den ganz Awendum kennt. Garrett der Schatten.«
»So ist es, Euer Hoheit«, bestätigte Baron Lonton beflissen, der neben ihm stand.
»Sehr schön.« Der König strich dem Narren, der vor ihm hockte, über den Kopf, worauf dieser gleich einer Katze vor Wohlbehagen schnurrte. »Du hast ihn schnell gefunden, Frago. Viel schneller, als ich angenommen hätte. Ich danke dir.«
Der Baron verbeugte sich leicht, eine Hand gegen das Herz gepresst.
»Wenn Ihr so gut sein wollt, draußen zu warten, Baron«, bat Arziwus hüstelnd.
Lonton verneigte sich noch einmal, ging hinaus und schloss hinter sich die Tür.
»Du bist also Garrett?« Der König blickte mir aufmerksam in die Augen.
»Ich hätte nie gedacht, dass Euer Hoheit von mir gehört haben.« Ich verneigte mich abermals, fühlte mich jedoch im Kreise dieser führenden Männer des Königreichs ein wenig unbehaglich.
»Er ist nicht auf den Mund gefallen«, quiekte der Narr, der mir eine neuerliche Grimasse schnitt, indem er einwärts schielte.
»Und kein Dummkopf.« Erstmals ergriff die mysteriöse Frau das Wort, die mit einem behandschuhten Finger über den Rand ihres Pokals fuhr.
Ich fühlte mich wie eine Kuh auf dem Markt, über deren Vorzüge und Nachteile ein paar Bauern vor einem etwaigen Kauf streiten.
»Setz dich, Garrett«, forderte mich der König gnädig auf. Ich nahm in einem Stuhl mit hoher Lehne Platz, in die eine Szene aus der Schlacht auf dem Sornfeld geschnitzt war.
Der Stuhl fand sich wundersamerweise hinter mir, obwohl er, als ich den Raum betreten hatte, noch gar nicht dagestanden hatte.
Mit verflochtenen Fingern harrte ich der Dinge, die da kommen sollten.
»Du erlaubst?«, fragte der König beiläufig, während er meine Armbrust von dem Tisch nahm. »Stammt sie von den Zwergen?«
Noch bevor ich auch nur nicken konnte, richtete der König die Waffe auf die Rüstung und zog den Abzug. Die Sehne flirrte, der Bolzen schnalzte und drang akkurat in den Sehschlitz des Ritterhelms ein. Der Narr klatschte begeistert in die Hände. Der König war ein guter Schütze. Überhaupt war er in allerlei Bereichen beschlagen. Bestens sogar. Dafür liebte ihn das einfache Volk, obwohl er das Königreich mit eiserner Faust regierte und jeden Aufstand, zu dem es während der Hungersnöte im Frühling bisweilen kam, im Keim erstickte. Obendrein hatte Seine Hoheit von Vater, Großvater und Urgroßvater neben der Krone auch den legendären Verstand der Stalkonen geerbt.
Der König hatte die Steuern nicht angehoben, sie aber auch nicht spürbar gesenkt. Für die Händler und Kaufleute hatte er die Zügel gelockert, doch mussten sie immer noch Zins zahlen, wenn sie ihre Geschäfte in Vagliostrien betrieben. Er nahm Geld von den Gilden der Mörder und Diebe, fand mit den Magiern ein Auskommen, hörte sich ihre Ratschläge an, verfuhr am Ende aber stets so, wie er es für richtig hielt.
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