Schattenwanderer
Andere Rassen, die den Menschen freundlich gesonnen waren, unterdrückte er nicht, was diese dem König wenn nicht mit Freundschaft, so doch mit Gesetzestreue vergalten. Das Einzige, was dem König hinter vorgehaltener Hand angelastet wurde, war das Bündnis mit den Gnomen, nach deren Abschluss sich die Zwerge aus Vagliostrien ins Gebirge zurückgezogen hatten. Gewiss, eine kleine Gemeinde von Zwergen war noch in Awendum verblieben, vor allem die gierigen, die mit dem Verkauf ihrer teuren Erzeugnisse weiterhin Gold scheffeln wollten. Ich persönlich stand in dieser Frage auf Seiten des Königs. Wenn es zwischen den Schwertern der Zwerge und den Kanonen der Gnome zu wählen galt, musste man sich für die Waffe entscheiden, die im Kampf wirkungsvoller war und gleichzeitig weniger kostete: für die Kanonen.
»Was für ein interessantes Spielzeug! Aber wir sind nicht hier, um über deine Armbrust zu sprechen«, erklärte der König, während er die leergefeuerte Waffe auf den Tisch zurücklegte. »Könntest du mir vielleicht sagen, Dieb, wie dieses kleine Ding in deine Hände gekommen ist?«
Genüsslich zog der Narr hinter dem Sessel des Königs eine goldene Hundestatue hervor und hielt sie mir unter die Nase. Im Nu bedeckte sich mein Rücken mit kaltem klebrigem Schweiß. Selbst wenn man in meinem Gesicht nichts lesen konnte – die Maske der Unergründlichkeit fiel mir glücklicherweise nicht ab –, heulte es in meinem Kopf doch panisch auf. Das war die Statue aus dem Palast von Herzog Pathy, die ich in der Nacht gestohlen hatte, als dieser ermordet worden war. Was hatte mir Gosmo da bloß eingebrockt?! Na, der sollte mir mal unter die Finger kommen!
Fürs Erste sprachen jedoch alle Hinweise gegen mich. Ein Verbrechen gegen die Krone! Wenn ich mit einer Vierteilung davonkam, durfte ich das noch als Segen der Götter und Gnade des Königs verstehen! Deshalb hielt ich es für geraten zu schweigen und zuzuhören.
»Er ist in der Tat kein Dummkopf«, beteuerte die Frau noch einmal.
Der Narr kicherte leise und schlug ein Rad durchs Zimmer. Anschließend baute er sich, die Statuette immer noch in Händen, neben Alistan auf, ahmte dessen Haltung nach, setzte ein ernstes Gesicht auf und erstarrte, eine Hand auf den Kopf des goldenen Hundes gelegt: Die Statuette wirkte damit fast wie ein Schwert für den Narren. Ich hätte beinah laut losgelacht. Der Kobold glich der Ratte wirklich, er bekam sein Geld nicht umsonst.
»Du bist sozusagen auf unseren Befehl in das Haus meines durchlauchten Cousins eingedrungen. Wir mussten dich prüfen, um zu entscheiden, ob du für eine bestimme Aufgabe geeignet bist. Und etwas Passenderes als den Palast meines Vetters mit dem Garrinch, der nachts losgelassen wird, hätten wir gar nicht finden können, meinst du nicht auch?«
»Noch günstiger wäre einzig die königliche Schatzkammer gewesen«, entgegnete ich.
»Oho! Da offenbart sich der wahre Kenner!«, quiekte der Kobold.
Mein Blick hätte ihn eigentlich versengen müssen, aber er kicherte nur gemein und streckte mir die Zunge heraus.
»Das weiß ich, Kli-Kli«, sagte Stalkon, nahm dann meine Klinge vom Tisch, zog sie aus der Scheide, untersuchte sie und fragte beiläufig: »Was ist in dieser Nacht im Palast passiert? Wie ist er gestorben?«
Ich schluckte einmal und begann, von fünf aufmerksamen Augenpaaren beobachtet, meine Erzählung. Ich berichtete von der schrecklichen Nacht, vom Palast, von dem Gespräch des Herzogs mit dieser Kreatur, die von einem unbekannten Herrn geschickt worden war. Niemand unterbrach mich. Der Erzmagier Arziwus schien in seinem Sessel zu schlafen, der Kobold machte zu meiner Überraschung ein nachdenkliches und aufgewühltes Gesicht. Als ich meine Geschichte beendet hatte, herrschte beklemmende Stille im Raum. Nur das Feuer im Kamin knisterte leise.
»Ich habe Euch immer gesagt, dass Ihr Eurem Cousin nicht trauen dürft, Euer Hoheit«, bemerkte Alistan giftig. So erstaunlich das auch klingen mag, er nahm mir meine Geschichte unbesehen ab. »Ich werde die Wache verdoppeln.«
Der König rieb sich gedankenverloren das Kinn, während er mich aufmerksam betrachtete. Dabei sagte er kein Wort. Irgendwann nickte er entschlossen. »Über meine Sicherheit reden wir nachher, Alistan, mein Freund«, sagte er. »Jetzt habe ich etwas mit unserem Gast zu besprechen. Garrett, du weißt, wer der Unaussprechliche ist?«, fragte mich der König ganz plötzlich.
»Er ist das Böse und die Dunkelheit.«
Was sollte
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