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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Kröte wählen, die Doralisser hatten es in Awendum schließlich noch schwerer als Kröten. Lieber ein kleiner grüner Quäker als ein großer dämlicher Bock. Pass nur auf, Garrett, dass dir das Lachen nicht im Halse stecken bleibt. Denn diesmal sitzt du wirklich in der Tinte. Aber warum so schnell aufgeben? Die Armbrust und das Messer hatten sie mir immerhin gelassen. Bedauerlich war nur, dass ich meine magischen Utensilien nicht dabeihatte. Egal! Noch war nicht aller Tage Abend.
    Der Kutscher hielt den Wagen jäh an, ein paar übereifrige Soldaten rissen den Schlag auf. Die kalte Juninacht schlug mir ins Gesicht. Selbst im Sommer war es in Awendum recht kühl – die Nähe zu den Öden Landen machte sich bemerkbar –, erst im August breitete sich in der Stadt sengende Hitze aus, die sich jedoch nur wenige Wochen zu halten vermochte, bis der Wind vom Kalten Meer wieder Regen herantrug. Vagliostrien ist das nördlichste Königreich Sialas, entsprechend schlecht ist es ums Wetter bestellt.
    Neben dem Türschlag standen zwei Soldaten mit Fackeln in der Hand, der Rest saß nach wie vor auf den Pferden und behielt die verlassene Straße im Auge.
    »Raus mit dir, Dieb.« Einer der beiden Soldaten verströmte einen strengen Knoblauchgeruch. Unwillkürlich verzog ich das Gesicht.
    »Und jetzt? Machen wir jetzt einen kleinen Spaziergang?«, fragte ich den Baron, wobei ich versuchte, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen.
    »Tu einfach, was dir gesagt wird, Garrett, und wir werden bestens miteinander auskommen!«
    Ich zuckte die Achseln, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ich auf ein harmonisches Auskommen mit dem Baron ebenso gut verzichten konnte wie Doralisser auf einen Zahnstocher. Ich schnaubte, sprang aus der Kutsche und sah mich um. Die Gasse war menschenleer, die dunklen Häuser dräuten wie der Sam-da-Mort über uns. Auf der anderen Seite der Straße erhob sich eine Mauer. Aha! Wir waren also irgendwo vor der Inneren Stadt.
    »Steh still, Dieb!«, verlangte der knoblauchlastige Kerl mit einer versteckten Drohung in der Stimme, bevor er mich sorgsam abtastete.
    Nacheinander wanderten meine Armbrust, der Beutel mit den Bolzen und mein Messer in einen Sack, den ein anderer Soldat dem Knoblauchliebhaber hinhielt. Letzterer wollte schon nach dem Beutel mit den Münzen greifen, als der Baron ihn aus der Kutsche heraus anherrschte, worauf der Mann eiligst die Hand zurückzog. »Lass ihm den Beutel, Kerl«, befahl Frago. »Ist er sauber? Hast du ihm alle Waffen abgenommen?«
    Der Soldat tastete mich noch einmal rasch ab, entnahm der verborgenen Tasche am Gürtel meine Nachschlüssel und zog aus dem Stiefelschaft ein schmales Rasiermesser. Schließlich nickte er. »Jetzt ist er sauber, Euer Gnaden. Blank wie ein Doralisser nach einem Geschäft mit einem Zwerg.«
    Die Reiter wieherten vor Lachen. Der Baron schnauzte sie erneut an, woraufhin sich unversehens wieder Stille in der Straße ausbreitete. Vor einem Haus huschte der Schatten einer einsamen Ratte vorbei, die Nahrung für ihre Brut suchte. Einer der Soldaten warf seine Fackel nach ihr und verfluchte die Diener des Unaussprechlichen dabei im Flüsterton. Natürlich verfehlte die Fackel ihr Ziel, schlug gegen die Mauer und schickte einen Funkenregen in die Nacht. Fiepend verschwand die Ratte in die Dunkelheit.
    »Schluss jetzt!«, krächzte der erzürnte Lonton. »Die Binde und dann Abmarsch!«
    Der Knoblauchliebhaber holte eine dunkle, feste Stoffbinde aus seiner Tasche und verband mir die Augen. Bei Sagoth, jetzt ging ich wahrlich als Blinder durch! Die Soldaten packten mich bei den Armen und stießen mich in die Kutsche zurück. Die Tür schlug zu, die Kutsche setzte sich wieder in Bewegung. Ich hob die Hände, um die Binde ein wenig zu lockern.
    »Ich an deiner Stelle würde das lassen, Garrett«, riet mir der Baron mit ausgesuchter Höflichkeit.
    »Wohin bringen Euer Gnaden mich? Oder ist das ein Geheimnis?«
    »Geh davon aus, dass es ein Staatsgeheimnis ist! Und jetzt bring mich mit deinem Geschwätz nicht länger auf die Palme!«
    »Ich bitte um Verzeihung, Euer Gnaden, aber was, wenn ich Euch doch erbosen sollte?«
    Die Dunkelheit machte mich gemein und geschwätzig.
    »Wenn du nicht mit dem Mann einig wirst, zu dem wir dich bringen, dann kommst du zu mir und kannst was erleben …«
    In dem Fall hielt ich es für ratsam zu schweigen, auch wenn es kein Problem für mich gewesen wäre, aus der Kutsche zu springen, die über die nächtlichen Straßen

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