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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Baumstämmen und Bergen von Erde bestand, die die Soldaten im Laufe des Tages aufgehäuft hatten. Selbst die Meister der Fortifikation, die Gnome, wären bei ihrem Anblick vor Neid erblasst. Die Palisade war unmittelbar am Rand der Schlucht errichtet worden und nur mannshoch. Für mehr hatte weder die Zeit noch das Material gereicht. Abgesehen davon erlaubte es diese Höhe den Bogenschützen, ungestört und gezielt zu schießen.
    Am Abhang selbst hatten die Männer lange spitze Pfähle in die Erde gerammt. Es würde die Orks Zeit und Mühe kosten, den Hang zu erklimmen, Hargans Bogenschützen konnten in dieser Zeit ihre blutige Ernte einfahren.
    Die Menschen hatten alles vorbereitet, ihren Gast zu empfangen – nur fehlte dieser Gast eben noch. Unruhe bemächtigte sich Hargans: Bald würde eine undurchdringliche Finsternis herrschen, da vermochten die Bogenschützen, auf denen doch alle Hoffnungen, diese Attacke zu überleben, ruhten, kaum etwas auszurichten.
    »Ob die Orks auf die Nacht warten?«, fragte Hargan. »Aber seit wann fürchtet die Rasse der Ersten die Menschen? Sie halten uns doch für Tiere! Für sprechende Affen!«
    »Vielleicht haben sie einen anderen Weg nach Awendum gefunden«, sagte Fuchs heiser. »Vielleicht schlagen sie sich durch die Wälder oder durch den Sumpf …«
    »Durch den Sumpf? Vergiss es! Nein, das hier ist der einzige Weg.« Hargan schüttelte den Kopf. »Wenn die Orks ihn nicht nehmen, sind sie erst im nächsten Frühjahr in Awendum.«
    »Also warten wir weiter«, schloss Fuchs.
    Das taten sie.
    Inzwischen war die Nacht heraufgezogen. Siena bot Hargan an, einen Zauber zu wirken, der die Finsternis vertrieb. Aber nach einigem Zögern lehnte er ab. Nach dem Zauber mit der Brücke brachte der alte Soldat den Fähigkeiten der Zauberin größeren Respekt entgegen. Deshalb wollte er das Mädchen nicht mit solchen Kleinigkeiten behelligen. Die Magie würden sie während der Schlacht noch brauchen, einstweilen aber konnten sie ohne auskommen.
    Hargan befahl, alle zwei Minuten Feuerpfeile zur anderen Seite der Schlucht hinüberzuschicken. Die Pfeile durchbohrten den Panzer der Nacht, zerrissen den Nebel, gingen auf der gegenüberliegenden Seite nieder und ermöglichten es ihnen, zumindest etwas zu erkennen.
    Hargan war zutiefst besorgt. Die Ersten mussten etwas ausgeheckt haben.
    Er beschloss, die Posten abzugehen, obwohl er sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten konnte. Viele Soldaten nutzten die Verschnaufpause und schliefen. Wenn du in den Tod ziehst, heißt das nicht, dass du auf Schlaf verzichtest.
    »Wie ist die Stimmung?«
    Der Soldat, dem er diese Frage stellte, hielt einen beinahe mannsgroßen Streitbogen in der Hand, dessen Pfeile selbst nach vierhundert Schritt noch in jedes Ziel drangen. Unter den Hundeschwalben gab es einhundertundfünfzig Bogenschützen.
    »Wir lassen uns nicht kleinkriegen«, antwortete der Soldat grinsend und spannte seinen Bogen.
    Der Soldat neben ihm hielt eine Fackel an den Pfeil, der mit Werg umwickelt war, um ihn zu entzünden. Die Sehne schwirrte, der brennende Pfeil stieg in krummem Bogen auf, verharrte wie ein heller Stern einen Augenblick lang am höchsten Punkt seiner Flugbahn und strebte dann wieder in die Tiefe, ein einsamer Lichtpunkt auf nächtlichem Weg.
    Weitere zehn Pfeile erhoben sich in die Luft und gingen in einer geschlossenen Formation aus müden Lichtpunkten an derselben Stelle zu Boden wie ihr Vorgänger.
    »Ruht euch etwas aus, Männer!«, sagte Hargan.
    »Wir werden uns bald für immer ausruhen!«, scherzte der Bogenschütze, um dann für sich selbst hinzuzufügen: »Es wird nicht mehr lange dauern, bis … wir uns ausruhen!«
    »Sie kommen!«, erklangen die Schreie, denen ein einsamer Ruf des Horns folgte.
    Hargan hob den Kopf und rieb sich die Augen.
    Der Schlaf hatte ihm keine Erleichterung gebracht, die verfluchte nächtliche Kälte hatte sich ihm in die Knochen gefressen, und der alte Soldat vermeinte, die ganze Zeit in einer engen Holzkiste zugebracht zu haben.
    Stöhnend stand er auf und reckte sich.
    »Hargan!« Vettel eilte herbei. »Die Späher melden Bewegung auf dem Weg!«
    »Weit weg?«, fragte Hargan scharf.
    »Etwa achthundert Yard von hier. Einen unserer Leute hat’s erwischt, die beiden anderen konnten sich in Sicherheit bringen.«
    »Alle auf ihre Posten!«, schrie Hargan und setzte sich einen leichten Helm auf.
    Sein Kettenhemd hatte er genau wie die anderen Soldaten nicht eine Minute lang abgelegt.

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