Schattenwandler 01. Jacob
und ich bin der Einzige auf der Welt, der sie empfangen kann … und fühlen. Was glaubst du, warum ich es immer weiß? Meine elementaren Fähigkeiten setze ich nur bei der Spurensuche ein und wenn ich dem Übergriff Einhalt gebiete. Das weiß kaum jemand. Selbst du, Gideon, hast Schwierigkeiten, das in mir zu finden, was du suchst, obwohl es eigentlich im Universum kein Gen gibt, das du nicht aufspüren kannst. Was glaubst du, wie lange ich noch zu leben hätte, wenn das bekannt werden würde? Wie lange hätte Bella noch zu leben, jetzt, da wir erlebt haben, dass sie die gleiche Fähigkeit hat? Uns schützt der Glaube, dass, sollte ein Vollstrecker sterben, ein anderer einfach seinen Platz einnehmen kann. Dass der nächste auch nicht anders sein wird als sein Vorgänger. Es gibt viele, die mich töten wollen und dann meinen Bruder, um uns loszuwerden, denn wir sind die Letzten aus unserer Familie.
Wenn ich also stundenlang hier sitze, dann deswegen, weil ich nicht das Bedürfnis habe zu gehen. Hierzubleiben bedeutet, die Zukunft der Dämonen zu beschützen, sie vor sich selbst zu schützen. Diese Frau …“, wieder rieb er ihre Hand an seiner Hüfte, „… diese Frau wird eines Tages meinen Erben gebären. Den Erben meines Blutes, den Erben meiner Pflicht. Wenn ich also hier sitze und dafür sorge, dass sie lebt, dass sie atmet und dass sie mich liebt, dann erfülle ich damit nur meine Pflicht.“ Jacob sah den Heiler mit unbewegtem Gesicht an. „Und ich glaube nicht, dass wir noch einmal darüber sprechen müssen, Gideon.“
Es war keine direkte Drohung, und doch kam es dem sehr nahe. Gideon verstand. Jacob würde niemals Schuld empfinden, wenn er seine Familie beschützen musste. Bei Gideon war das anders.
„Ich bin dankbar dafür, dass du mir das Leben gerettet hast und auch all denen, die mir am liebsten sind, Gideon. Ich stehe tief in deiner Schuld, und ich werde sie zurückzahlen, solltest du mich eines Tages darum bitten.“
„Es steht außer Frage, dass ich immer kommen werde, um dir zu helfen, wenn du mich brauchst“, erwiderte Gideon leise.
„Das verstehe ich. Aber …“, Jacobs Lippen wurden schmal, „… aber dich verstehe ich nicht mehr, mein alter Freund. Du bist mir fremd geworden. Ich habe dich immer für einen weisen und gütigen Mann gehalten, der es genauso wenig ertragen könnte wie ich, wenn ein Unschuldiger zu Schaden käme. Ich kann einfach nicht glauben, dass du in all den Jahren nie auf den Gedanken gekommen bist, Noah, der unermüdlich nach einer Heilung für unseren Wahnsinn gesucht hat, zu sagen, dass diese Möglichkeit mit den Druiden zunichtegemacht worden ist. Stattdessen hast du ihn in Hoffnung gewiegt, hast uns alle in Hoffnung gewiegt. Das war grausam und arrogant. Gedankenlos. Unwürdig für jemanden, der so alt ist und der so verehrt wird.“ Fassungslos schüttelte Jacob den Kopf. „Wir haben nichts mehr miteinander gemein, Gideon, und das tut mir sehr leid.“
Noah war der Erste, dem es gelang, Gideons beeindruckende Suggestion während des Schlafs abzuschütteln. Es war ein Zeichen für die ungeheure Kraft des Königs. Trotzdem überraschte es Jacob, seinen Herrscher plötzlich aufrecht im Halbdunkel sitzen zu sehen, wie er gerade gegen Abend wach wurde. Jacob ging zu Noah und setzte sich dem Feuerdämon gegenüber auf den niedrigen Couchtisch.
„Ich habe nicht erwartet, dich so schnell wiederzusehen“, bemerkte er, und die Erleichterung war ihm deutlich anzuhören.
„Es liegt mir nicht, lange faul herumzuliegen. Mein ganzes Wesen zielt darauf ab, Energie zu lenken. Es wäre ein trauriges für unser mächtigstes Element, wenn ich nicht in der Lage wäre, mir von anderen Quellen Energie zu holen und wieder aufzufüllen, was mir verloren gegangen ist.“ Noahs Miene blieb ausdruckslos, trotz seiner Bemühung, die Bemerkung flapsig klingen zu lassen. „Wo ist meine Schwester?“
„Sie ist hier. Sie schläft. Isabella auch.“
Noah schien sich plötzlich zu versteifen, und Jacob spürte, wie sich in seinem Bauch ein Gefühl der Beklemmung ausbreitete.
„Wie lange wird sie schlafen?“
„Legna? Gideon meint, noch ein oder zwei Tage.“
„Ich meinte die Druidin.“
Diese Worte gaben Jacob den Rest. Noah war, außer ihm selbst, bisher immer der Einzige gewesen, der Isabella den nötigen Respekt entgegengebracht hatte, indem er ihren Namen benutzte, anstatt von ihr nur als „dem Menschen“ oder „der Druidin“ zu sprechen.
„Noah, was ist
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