Schattenwandler 01. Jacob
ihn immer übermannt hatten, wenn Noah ihr seine Zuneigung gezeigt oder wenn Elijah mit ihr trainiert hatte. Manchmal hatte er gehen müssen, weil er nicht mit ansehen konnte, wie der andere Dämon so tat, als wolle er Bella verletzen.
Ein humorloses Lachen kam über seine Lippen.
„Heile sie“, flüsterte er Gideon zu, und seine Stimme klang heiser, so aufgewühlt war er.
Gideon nickte kurz. Dann konzentrierte er sich darauf, sie nicht zu behutsam zu berühren, damit der besitzergreifende Vollstrecker nichts missverstehen konnte. Isabella hatte keine inneren Verletzungen. Und sie hatte von allen dreien am wenigsten Schaden genommen. Das war verwirrend und völlig unlogisch. Wenn irgendjemand diesen Feuersturm hätte unversehrt überstehen müssen, dann wäre das Noah gewesen. Isabellas Haut war schnell geheilt, und Gideon untersuchte sie gründlich, um irgendeinen Hinweis darauf zu finden, warum ihr nicht mehr passiert war.
Ein flüchtiger Gedanke reichte, um die versengten Enden ihrer Haare wegzufegen und ihren schwarzen Schopf zu alter Länge und Dichte sprießen zu lassen. Dann versetzte er sie in einen tiefen Heilschlaf und verstärkte ihn zweimal, damit sie nicht in der Lage war, von allein daraus zu erwachen. Schließlich richtete er sich auf und ging hinüber zu einem vierten Körper, den weder der Erddämon noch der Winddämon bemerkt hatten.
„Samson“, beantwortete Gideon die unausgesprochene Frage, die im Raum stand.
Elijah hatte wieder ein wenig Kraft geschöpft, und er half Jacob dabei, ihre Schützlinge an einen sichereren Ort zu bringen.
„Nein. Du ruhst dich aus. Ich nehme sie mit in mein Haus …“, begann Jacob.
„Nein. Das kannst du nicht. Wir wissen nicht, ob nicht irgendein anderer Nekromant wegen jener Nacht dein Haus noch im Visier hat.“
„Nicht das in Dover. Ich bin kein Idiot“, bellte der Vollstrecker. Dann fiel ihm auf, wie sehr er sich im Ton vergriffen hatte, und entschuldigte sich.
„Nein …“, Elijah hob abwehrend eine Hand, „… du hast recht. Du bist kein Idiot, und du hast es bestimmt nicht nötig, dass ich dich auf Dinge hinweise, die selbst ein blutiger Anfänger weiß. Es tut mir leid. Ich bin einfach müde, und diese Geschichte hat mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“
„Dann komm mit. Ich habe jede Menge Platz, und du musst dich an einem Ort ausruhen, wo du in Sicherheit bist“, drängte Jacob, während er sich mit der schlafenden Isabella auf den Armen erhob.
Als Gideon den Raum betrat, saß Jacob in einem Stuhl neben Isabellas Bett und hielt ihre Hand. Er drückte ihre Fingerspitzen an seine Lippen und sprach leise zu ihr, auch wenn sie ihn nicht hören konnte.
„Wann wirst du sie aufwecken?“, fragte er den Heiler, und seine Anspannung war ihm deutlich anzuhören.
„Ich denke, wir sollten sie noch mindestens zwei Tage schlafen lassen“, erklärte Gideon. „Jacob, was du empfindest, ist völlig normal für einen geprägten Partner. Es ist … schwer für dich, den Verlust ihrer Gedanken in deinem Bewusstsein zu ertragen. Für sie war es genauso schwer, als du ohnmächtig warst.“ Dann wagte Gideon sich noch einen Schritt weiter. „So tödlich, wie es für sie wäre, dich zu verlieren, so tödlich ist es oft auch umgekehrt für den Dämon. Vergiss nicht, genau aus diesem Grund sind wir nur so wenige. So fühlt es sich an, wenn man geprägt ist, und im Laufe der Zeit wird die Verbindung noch stärker werden.“
„Ich weiß“, murmelte Jacob. Er hatte sein Gesicht abgewandt und blickte hinaus zum Mond, der als fast volle leuchtende Scheibe vor dem Fenster stand.
Jacob brauchte nun nie wieder Sorge zu haben, der lockenden Versuchung des heiligen Gestirns ausgesetzt zu sein, dachte Gideon. Auch jetzt spürte der Heiler den hartnäckigen Drang in seinem Bewusstsein. Für einen kurzen Moment fragte er sich, was für ein Gefühl es sein musste, ohne diese verwirrende Bedrohung für den eigenen Verstand zu leben. Der Urälteste hatte die vergangenen Jahre damit verbracht, nach einem Weg zu suchen, auch während dieser heiligen Zeiten seinen inneren Frieden zu bewahren. Man konnte die Verlockung verdrängen, sie umgehen, sie sogar ignorieren, aber sie konnte nie ganz vertrieben werden.
Prägung war das einzige Heilmittel.
Aber es gab einen Haken. In den Vollmondnächten zu Samhain und zu Beltane fühlte ein geprägtes Paar sich sexuell so stark zueinander hingezogen, dass sie nicht anders konnten, als diesem Verlangen nachzugeben.
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