Schattenwandler 01. Jacob
dem entsprechenden Wort, „… Paten? Ja, zwei Leute, die bei der Geburt ausgewählt werden, um das Kind anzuleiten und zu erziehen.“
„Ihr gebt eure Kinder weg?“, fragte Bella entsetzt.
„Pst“, beruhigte er sie schnell, und seine Hände gruben sich tiefer in ihr Haar, um ihr den Hinterkopf zu massieren. „In eurer Gesellschaft wären sie schon erwachsen. Es ist so ähnlich, als würden sie aufs College gehen.“
„Was ist mit solchen, die frühreif sind? Die schon früh in die Pubertät kommen?“
Jacob seufzte, denn er wusste, das würde ihr nicht gefallen.
„Das ist genau wie bei den Menschen. Mit neun, manchmal auch schon mit acht … obwohl alles unter sechzehn extrem selten ist“, fügte er schnell hinzu.
„Warum könnt ihr eure Kinder nicht selbst ausbilden? Das verstehe ich nicht! Das muss doch furchtbar sein, aus dem eigenen Elternhaus geworfen zu werden!“
„Erstens“, erklärte Jacob streng und zwang sie, ihn anzusehen, obwohl er die schimmernden Tränen in ihren Augen kaum ertragen konnte. „Erstens wissen wir zu verhindern, dass unsere Kinder sich verlassen fühlen. Die Wochenenden sind zum Ausruhen da und für die Geburtsfamilie reserviert. Und die Siddah lieben ihre Patenkinder wie ihre eigenen. Sie gehören zum Leben des Kindes von dem Moment an, da es geboren wird und seinen Namen bekommt. Auch sie sind eine Familie, nur ein anderer Zweig.“
„Aber …“
„Lass mich ausreden“, mahnte er sanft. „Es hat einen bestimmten Grund, dass Eltern ihre eigenen Kinder ab einem bestimmten Punkt nicht weiter aufziehen. Für die Eltern ist es oft schwierig, den Gleichmut und die Konsequenz aufzubringen, die notwendig sind, um ein Kind mit solchen Kräften in den Griff zu bekommen. Dämonen lieben ihre Kinder und verwöhnen sie normalerweise, bis sie … Also man kann es auch übertreiben mit der Liebe. Vor langer Zeit hat man deswegen beschlossen, dass es für Tanten, Onkel und Freunde der Familie viel leichter ist, die nötige Disziplin aufzubringen. Und ich weiß, dass das auch für die menschliche Gesellschaft gilt. Kinder hören auf andere, benehmen sich bei anderen und zeigen sich gegenüber anderen vollkommen anders als bei ihren Eltern. Deswegen haben wir die Pflegschaften eingeführt. Auf diese Weise entwickeln die Kinder sich schneller und bekommen ein besseres Gefühl für Struktur, Kontrolle und Wissen. Die Eltern geben ihnen Werte mit, Bella, und die Siddah geben ihnen Ziele, und von beiden bekommen sie Liebe und Geduld. Meine Zeit als Patenkind gehört zu den angenehmsten Erinnerungen aus meiner Jugend. Komm in meinen Geist, kleine Blume, und teile meine Erinnerungen mit mir. Du wirst sehen, dass ich meine Siddah sehr geliebt habe und die Liebe zu meinen Eltern trotzdem nicht im Geringsten gelitten hat. Ich kenne deine Ängste. Aber dazu wird es nicht kommen.“
„Wie alt warst du?“, fragte sie, während sie nach seinen Erinnerungen suchte.
„Ich war fast zwölf.“
„Elf! Elf Jahre?“
„Bella, du vergisst, dass … Ich bin ein Erddämon. Wir sind, genau wie Feuerdämonen, selten und sehr mächtig. Du hast gesehen, was passiert, wenn wir Sex haben, Bella, und ich bin inzwischen ein Ältester mit Selbstbeherrschung, mit einer Ausbildung und mit Jahrhunderten an Lebenserfahrung. Genauso wie es mir mit dir ging, so geht es auch einem Jugendlichen mit seinen gerade erst aufkeimenden Kräften. Zu viel Macht, zu viele Hormone“, erklärte er unverblümt, „und nicht die leiseste Ahnung, wie man damit klarkommen soll. Mein Patenonkel war der Erste und der Einzige, mit dem ich über solche Dinge wie Sex gesprochen habe. Mit meiner Mutter hätte ich das nie bereden können. Sie wäre weinend aus dem Zimmer gelaufen. ‚Mein Baby! Mein Baby!‘“ Er machte ihre schrille Stimme nach und tat so, als würde er sich verzweifelt die Haare raufen.
„Okay, okay … aber dein Vater muss doch …“
„Ich habe meinen Vater sehr geliebt, aber ich habe ihn nur selten gesehen. Zu der Zeit war Krieg …“
„Noch ein Krieg?“ Sie seufzte. „Warte. Erzähl nicht weiter, bevor ich nicht den Schock verdaut habe“, meinte sie dann sarkastisch.
„Schattenwandler sind eine aggressive Spezies“, gab er zu. „Lykanthropen sind die Schlimmsten. Sie sind in Wirklichkeit vor allem Tiere mit einem extremen Revierverhalten. Wir haben uns in den letzten dreihundert Jahren ständig Scharmützel mit ihnen geliefert.“
„Dreihundert?“ Sie war fassungslos.
„Eine lange
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