Schattenwandler 01. Jacob
prasselte herab und durchnässte das Magma, das versuchte, aus dem Erdinneren zu entkommen. Das Wasser verwandelte sich in Dampf, und Elijah schoss wieder herunter und landete hinter seinem Monarchen. Noah stand da, die Beine gespreizt und die Hände so fest zu Fäusten geballt, dass er sich an seinen eigenen Fingernägeln schnitt und Blut zu Boden tropfte. Elijah sah, dass der Dämon heftig zitterte, aber das hatte nichts mit dem Beben der Erde unter seinen Füßen zu tun.
Einen Herzschlag lang war Elijah ratlos, doch dann zog er den König am Arm, um dessen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
„Zeit!“, stieß er barsch hervor. „Jacob! Noah! Zeit ist ganz wichtig. Wir drei sind die Einzigen, die das vielleicht wieder in Ordnung bringen können. Aber wir müssen gemeinsam handeln, und zwar sofort. Jetzt gleich. Wir dürfen keine Sekunde mit Schmerz oder Wut oder dergleichen verschwenden, egal, wie berechtigt das auch wäre!“
Jacob erhob sich mühsam. Ihm war, als wäre sein Herz in denselben Strudel gerissen worden, der ihm seine Isabella genommen hatte. Er warf Elijah und dem König einen kalten Blick zu. In Noahs leeren Augen erkannte er, was er selber dachte. Zeit ist ohne Bedeutung. Kein Dämon, nicht einer, ist jemals unversehrt aus einer Abberufung zurückgeholt worden. Aber Bella war keine Dämonin. Und Legna …? Keiner von ihnen würde Legna jemals kampflos aufgeben.
Der bebende Boden beruhigte sich endlich wieder, nur einzelne aufgeworfene Streifen aus dampfendem Fels erinnerten noch an Noahs Wutausbruch. Der Dämonenkönig holte so tief Luft, als wolle er sich mit purem Sauerstoff von seinem Zorn reinigen.
„Vier, Elijah“, korrigierte er heiser. „Wir vier. Geh zu Gideon und sag ihm, dass er auf der Stelle hierherkommen soll.“ Noahs Stimme war nicht wiederzuerkennen, und Elijah erkannte, dass er nur noch instinktiv handelte. Die Hauptsache war, dass der König jetzt etwas unternahm. „Wenn wir sie finden …“, Noah sah seinem Vollstrecker in die Augen, und seine Wangenmuskeln zuckten, als er die Kiefer aufeinanderpresste, „… dann vergiss nicht, wer du bist und was deine Pflicht ist, Vollstrecker. Wenn sie auch nur eine Sekunde leiden muss …“
„Sie wird nicht leiden“, schwor Jacob, und seine Stimme klang eisig. „Ich werde dein Vertrauen niemals enttäuschen.“
Dann wandte sich der Vollstrecker mit dieser rauen eisigen Stimme an den Krieger.
„Hol Gideon. Sofort!“
Elijah erkannte, dass der Vollstrecker jetzt zum Jäger geworden war. Und er wusste, dass derjenige, der Jacobs Braut entführt hatte, dafür einen brutal hohen Preis würde zahlen müssen. Und Legna … Selbst ein erfahrener Krieger wie Elijah würde über diese Frage erst nachdenken, wenn ihm die Rechnung präsentiert wurde.
Unmittelbar nach diesem Gedanken wurde Elijah zum Teil des Windes. Jacob wandte seinen gequälten und gnadenlosen Blick wieder dem König zu.
„Es gibt Hoffnung. Wenn Bella bei ihr ist, wenn sie den Zauber überlebt hat …“ Jacob musste innehalten und die Wut, die in ihm aufstieg bei dem Gedanken, dass es nicht so sein könnte, niederkämpfen. „Solange noch ein Funken Leben in Bella ist, gibt es Hoffnung. Sie wird alles tun, was in ihrer Macht steht, um Legna zu beschützen.“
„Und wenn es keine Hoffnung mehr gibt?“, fragte Noah mit einem Gleichmut, unter dem es immer noch so brodelte, wie es kurz zuvor die Erde getan hatte. „Dann wird deine Braut dort bleiben, und meine kleine Schwester …“ Noah schloss die Augen und knirschte vor Wut mit den Zähnen, sodass er am ganzen Körper bebte. Dabei atmete er so heftig, dass er Feuer hätte speien können. „Wird jemand, der noch so grün ist und so empfindsam, wird so jemand in der Lage sein, Legna Frieden zu schenken, falls wir sie nicht erreichen? Wird meine Schwester mir als Monster wiederbegegnen, das mordet und hurt, ganz nach Lust und Laune? Ich habe mich von dem Tag an um Legna gekümmert und sie beschützt, an dem meine Mutter gestorben ist und sie erst fünf Jahre alt war“, sagte Noah mit einer Stimme, die klang, als sei sie über den Kohlen des Höllenfeuers geröstet worden. „Du musst mir verzeihen, wenn ich jemandem, der noch so unerfahren ist, eine so wichtige Aufgabe nicht zutraue. Ich werde nicht einfach abwarten und es geschehen lassen.“
„Ich schwöre dir, Noah, das werde ich auch nicht. Aber du musst Bella vertrauen. Hinter der vordergründigen Sanftheit verbirgt sich eine wilde Kriegerin mit
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