Schattenwandler 02. Gideon
er einfach nur vorsichtig sein will. Du weißt, wie direkt er immer ist. Falls es irgendetwas gäbe, worüber man sich Sorgen machen müsste, würde er damit nicht hinter dem Berg halten.“
„Stimmt. Er würde zumindest Jacob informieren, wenn es irgendetwas Beunruhigendes gäbe, meinst du nicht auch? Jacob und ich haben sehr wenig Geheimnisse voreinander, da wir ja auch unsere Gedanken teilen.“
„Ich muss zugeben, Bella“, bekannte Legna, „obwohl ich ein Geistdämon bin, bin ich ziemlich froh, dass ich im Gegensatz zu den männlichen Angehörigen meiner Art nur Gefühle lesen kann. Ich will gar nicht alles wissen, was jemand denkt. Glaub mir, es kann ziemlich verwirrend sein, wenn man alles spürt, was jemand fühlt. Ich weiß nicht, wie du das aushältst, dass Jacob deine Gedanken lesen kann. Ich bin mir nicht so sicher, ob es mir gefallen würde, wenn jemand Zugang zu meinen persönlichsten Grübeleien hätte. Ich nehme an, am nächsten komme ich in dieser Hinsicht Hannah und Noah. Wir hatten schon immer einen ausgeprägten Sinn für die Bedürfnisse und für die Wünsche des andere n … und für die Schmerzen. Aber ich sage dir, mir sind Dinge durch den Kopf gegangen, von denen ich hoffe, dass Noah sie nie erfahren wird.“
Legna zuckte scherzhaft mit den Augenbrauen, und Bella musste lachen.
„Dieser Wunsch ist mir sehr vertraut“, sagte Bella und nickte. „Trotzdem hat diese große Offenheit, mit der wir alles teilen, und diese Aufrichtigkeit zwischen Jacob und mir etwas unglaublich Tröstliches. Un d … “ Sie hielt inne, und ihr Gesicht wurde ganz weich bei dem Gedanken daran. Ihre Haut, sonst wie blasser Satin, überzog sich mit einer sanften Röte. „Mein Geliebter, mein Gefährte lebt immer in mir, Legna. Ich bin nie ganz allein, nicht einmal dann, wenn er mir Ruhe gönnen möchte. Und ich habe gar nichts dagegen. Für den Rest meines Lebens, so viel ist mir klar geworden, werde ich nie mehr allein sein. Besser noch, ich werde nie mehr einsam sein. Das ist irgendwie verlockend, ich kann dir das nicht erklären. Meine Schwester findet es gerade für sich selbst auch heraus. Ich habe schon versucht, ihr dabei zu helfen, aber es gelingt mir nie, es ihr entsprechend zu beschreiben.“
„Deiner Beschreibung fehlt nichts, Bella“, gestand die Empathin leise.
„Corrine braucht für die Ausbildung ihrer Kräfte viel länger als ich. Gideon glaubt, das kommt daher, dass sie dem Tod so nah gewesen ist.“
Bella erschauerte, als sie sich daran erinnerte, wie ihre Schwester halb tot im Bett gelegen hatte, grau und ausgezehrt, weil ihr die gesamte Energie entzogen worden war. Eine Druidin fand erst dann zu ihrer Macht, wenn ihr Partner sie das erste Mal berührte. Als Corrine und Kane sich das erste Mal begegnet waren, hatte niemand gewusst, dass sie eine Druidin war und dass es ihre Bestimmung war, ihr Leben mit Kane zu teilen, und dass sie ohne ihn und ohne seine Nähe einfach dahinwelken würde.
„Es braucht seine Zeit, sagt Gideon, bis ihre Verbindung mit Kane sich wiederaufbaut und sich wiederherstellt. Er hat es mit einer Hirnverletzung verglichen, wenn bestimmte Teile des Gehirns Aufgaben der verletzten Bereiche übernehmen.“ Bella schüttelte den Kopf. „Ich sehe ja, wie sie kämpft, und es frustriert mich genauso wie sie. Ich will, dass sie genauso glücklich ist wie ich. Ich will, dass ihre Fähigkeiten sich entfalten, damit sie weiß, was wir geerbt haben. Vom Verstand her weiß ich, dass es seine Zeit brauchen wird, aber als Schweste r – und ganz besonders als schwangere Schweste r – würde ich das Schicksal am liebsten anbrüllen: Jetzt mach endlich! Sie hat schon so viel durchgemacht.“
„Sie ist schon sehr weit. Sie sieht gesund aus und schwächelt auch nicht mehr so schnell“, versuchte Legna ihre Freundin zu beruhigen.
„Das hat Gideon auch gesagt, aber er hat außerdem gesagt, dass es noch weitere Rückschläge geben könnte und dass wir uns darauf einstellen sollten. Er hat erklärt, dass die aufgetretene Schädigung die Leitungen zu ihren Fähigkeiten geschwächt hat. Aber das weißt du ja. Deswegen bringst du ihr ja bei, zu meditieren und sich zu konzentrieren. Er hat es ja so verordnet.“
„Es wird mich immer faszinieren, wie viel Gideon weiß. Er ist der einzige Dämon auf der ganzen Welt, der zur Zeit des letzten Druiden schon gelebt hat. Obwohl das über tausend Jahre her ist, erinnert er sich immer noch an Einzelheiten über die Beziehung zwischen
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