Schattenwandler 03. Elijah
bestückt war. Und Fleischvorräte mussten frisch sein.
Siena wusch die Wunden des Kriegers noch einmal sorgfältig und legte ihm frische Verbände an. Die einzige Wunde, die sie nicht anrührte, war die, die sie mit ihren Haaren verschlossen hatte. Diese würde von selbst heilen, daher war es am besten, wenn sie sie sich selbst überließ. Anschließend zog sie wieder die Decke über die kalte Haut des Kriegers. Dass seine Haut kühl war, war ein gutes Zeichen, weil Dämonen eine erheblich niedrigere Körpertemperatur hatten als Lykanthropen oder als Menschen. Wenn sein Körper sehr warm wurde, dann hatte er Fieber, und das war das Letzte, was der Krieger jetzt brauchen konnte. Er sah noch immer entsetzlich blass aus, und vielleicht war seine Haut sogar ein wenig zu kühl, aber sie hatte den Eindruck, dass er etwas leichter atmete. Sie konnte seinen regelmäßigen Herzschlag hören, der jetzt kräftiger war als zuvor.
Die Königin schob ihm seine inzwischen trocken gewordenen Haare aus der Stirn. Sie fühlten sich erstaunlich weich an, als sie durch ihre Finger glitten. Er trug seine Haare lang, wie es bei Schattenwandlern üblich war. Er hatte ziemlich dichtes Haar, wie es eher typisch war für Lykanthropen und nicht für Dämonen. Es war ein schönes Gefühl, es anzufassen.
Siena merkte, wie ihre Hand über seine Stirn glitt und wie ihre Fingerspitzen neugierig die Bögen der dichten goldgelben Augenbrauen nachfuhren. Auch seine Wimpern waren blond, genau wie die ihren. Es war ein satter Goldton, der sich von seinen helleren Haaren abhob, genau wie bei ihr.
Sie betrachtete staunend sein Gesicht, während sie mit dem Daumen über seine ausgeprägten Wangenknochen strich; über die markante, männliche Nase, das feste, in der Mitte leicht eingekerbte Kinn. Sein Gesicht wirkte sehr hart und entschlossen, aber zugleich auch irgendwie jungenhaft schön. Vielleicht, dachte sie, lag es an seinen vollen Lippen, die fast etwas Weibliches hatten und die so verhinderten, dass sein Mund einen harten Zug bekam.
Siena lachte über sich, als ihr bewusst wurde, was sie da tat. Sie erhob sich und schüttelte ihre Hand, als wolle sie sie bestrafen. Dann ging sie in den vorderen Bereich der Höhle. Sie blieb eine Weile in der Öffnung stehen, um dem Regen zu lauschen und um den Geruch des schlafenden Waldes so tief wie möglich in sich aufzusaugen. Bei Regen konnte selbst sie mit ihrem hervorragenden Geruchssinn nur schwer die Witterung von Beutetieren oder von Raubtieren aufnehmen.
Dann ließ sie mit einem kurzen Schulterzucken ihr Kleid fallen, schüttelte sich, um die behaarte Form der Werkatze anzunehmen, und lief in die kalte Nässe des herbstlichen Waldes hinaus.
Elijah hatte sich in der Stunde, die sie fort gewesen war, nicht gerührt. Sie befühlte ihn, um zu sehen, ob er Fieber hatte, und achtete dabei darauf, dass sie ihn nicht nasstropfte.
Es wäre angenehmer gewesen, ihre Gestalt als Werkatze beizubehalten, weil deren Fell viel leichter und schneller trocknete, aber sie hielt das für unklug. Elijah hatte bei ihrer Begegnung keinen Zweifel daran gelassen, dass er ihr und ihrer Art nicht über den Weg traute, daher wäre es nicht ratsam, die Gestalt einer Lykanthropin zu haben, wenn er aufwachte. Möglicherweise achtete er gar nicht erst auf ihren königlichen Halsschmuck, den sie nie ablegte. Und mit einem Dämon war nicht zu spaßen, nicht einmal dann, wenn er geschwächt war. Ihr Volk hatte im Laufe der Jahrhunderte gelernt, dass man die Kräfte eines Dämons, der sich bedroht fühlte, nicht unterschätzen durfte. Ob Waffenstillstand herrschte oder nicht, Elijah musste sich schon durch ihre bloße Anwesenheit in Gefahr fühlen, ganz zu schweigen davon, dass er außerdem noch verwundet war.
Die Königin rückte dichter an das Feuer heran. Sie saß mit dem Rücken zu dem schlafenden Dämon und versuchte, ihre Haare zu trocknen. Sie hatte eines der Kaninchen, die sie zuvor gefangen und getötet hatte, auf einen Spieß gesteckt, der sich nun mittels eines batteriebetriebenen Motors über dem Feuer drehte. Der Motor klapperte und quietschte, als würde er gegen die Nähe des männlichen Elementarwesens protestieren, durch dessen Körperchemie seine Funktion erheblich beeinträchtigt wurde. Im Gegensatz zu den Dämonen hatten Lykanthropen nichts gegen Maschinen und gegen Technik, und die entsprechenden Geräte reagierten auch nicht mit Fehlfunktionen auf sie. Da dies ein einfaches Winterschlafquartier war, hatte man
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