Schattenwandler 04. Damien
nicht zögerte, in die private Sphäre fremder Gedanken einzudringen. Für sie war er genau so ein machtvolles männliches Wesen, das daran nichts Schlimmes fand.
Die Prinzessin drehte sich um und stellte fest, dass Aria verschwunden war. Kluges Mädchen! Vampire waren unberechenbar und manchmal flegelhaft. In diesem Augenblick wünschte sich Syreena, sie hätte die Freiheit, sich eilig zurückzuziehen. Stattdessen wandte sie sich zu dem Vampirprinzen und der anmutigen Frau an seiner Seite hin. Sie war unverkennbar ein weiblicher Vampir, groß und dunkelhaarig, ziemlich normal für diese Gattung. Es gab nur sehr wenige blonde Vampire in dieser Welt. Syreena musste zugeben, dass sie eine ausgesprochene Schönheit war, nur dass da etwas sehr Altes und sehr Ernüchtertes in ihren dunkelbraunen Augen lag. Ihre angespannte Haltung und ihre abwehrende Körpersprache machten deutlich, dass sie nicht gerade begeistert davon war, hier zu sein.
Da Syreena keine Abgesandten der Vampire erwartet hatte, ging sie zu ihnen, um herauszufinden, was sie wünschten. Natürlich waren sie willkommen, im Rahmen derselben unklaren Vorgaben wie alle anderen auch, doch hatte Noah am Abend zuvor bei einer Zusammenkunft anlässlich der endgültigen Öffnung der Bibliothek für die Forscher gesagt, dass Damien die Einladung ausgeschlagen hätte.
Als sie näher trat, bemerkte sie, dass in der Vampirin eine Verwandlung vorging. Beim Betreten der Bibliothek huschte ein Ausdruck über ihr Gesicht, den zweifellos alle beim ersten Mal gehabt hatten. Die Leere in ihren Augen schien zu verschwinden, und eine Gier blitzte auf, die Syreena recht vertraut war.
Der gierige Hunger zu lernen.
Eine Vampirforscherin? Darin lag ein amüsanter Widerspruch. Sie waren zwar eine der interessantesten und klügsten Spezies der Schattenwandler. Doch normalerweise benutzten sie diesen Verstand und diese Energie eher fü r … körperliche und schnell zu befriedigende Bedürfnisse. Sie waren gierige Genussmenschen. Nichts konnte ihr Interesse lange wachhalten, wenn es nicht alle ihre Sinne auf einmal beschäftigte. Ein Raum voller Bücher würde diesen Anspruch kaum erfüllen.
Syreena vermutete allerdings, dass man Lust und Sinnesfreuden auch mit Lesen und mit dem Erwerb von Wissen befriedigen konnte. Dann wäre das hier der ideale Ort für eine Orgie.
Damien bemerkte sie sofort. Auch unabhängig von ihrer harlekinartigen Färbung war sie kaum zu übersehen. Sie war nicht besonders groß und wirkte nicht besonders sexy, anders als ihre einer Löwin gleichende Schwester, doch sie war eine ebenso unerschütterliche Erscheinung. Sie kam direkt und mit sicherem Schritt auf ihn zu, wiegte sich nur leicht in den Hüften. Er mochte das, wie er feststellen musste. Keine überflüssigen Bewegungen, keine verschwendete Energie. Er wusste nicht so recht, warum ihn das so in Entzücken versetzte. Bis jetzt hatte ihn noch keine Frau mit ihren sinnlichen Bewegungen aus der Fassung gebracht. Doch an dieser Frau war etwas, das ihn anzog. Aber in Anbetracht des kühlen Ausdrucks in ihren Augen war es wohl besser, wenn er sich ein anerkennendes Lächeln verkniff.
Doch er tat es nicht.
„Syreena“, sagte er, und sein Tonfall war bei Weitem nicht so kühl wie ihr Ausdruck. Seine Stimme klang warm und verheißungsvoll, und er sah, wie sie irritiert den Rücken straffte. „Jasmine, das ist Prinzessin Syreena. Syreena, das ist Jasmine. Sie is t … “ Er verstummte, als er bemerkte, dass Jasmine Syreena lustlos zuwinkte, bevor sie sich dem ersten Stapel Bücher zuwandte, den sie entdeckte. „Sie kann es anscheinend gar nicht mehr erwarte n … “, murmelte er, um das unhöfliche Benehmen seiner Begleiterin zu entschuldigen, und lachte in sich hinein, als er sah, wie sie in den Regalen stöberte. Jasmine war noch nie bekannt für ihre gewinnende Art im Umgang mit anderen gewesen, und ihr Wissensdurst wurde nur noch übertroffen von ihrem Blutdurst.
Es kam Syreena so vor, als wäre der Vampirprinz der flinken Schwarzhaarigen zugetan. „Ich hatte nur Kelsey oder dich erwartet“, sagte sie unumwunden. „Warum hat sich das plötzlich geändert?“
„Jasmine ist eine hervorragende Studentin und mir treu ergeben“, sagte er zur Erklärung, „etwas, das Kelsey bei aller Loyalität nicht mitbringt. Wenn du Zweifel hast, gebe ich dir mein Wort darauf, dass sie keinen Ärger machen wird.“
„Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Ein Vampir, der keinen Ärger macht?“
Syreena
Weitere Kostenlose Bücher