Schattenwandler 05. Noah
während des Fluges gelöst, doch jetzt konnte sie ihre Kleidung wieder in Ordnung bringen.
Sie ging die Auffahrt hinauf, und ihre langen Beine trugen sie rasch von Asphalt auf Kies und schließlich auf einen breiten Weg, der zwischen Felsen hindurchführte. Es gab wie erwartet keine Fahrzeuge in der Auffahrt, weil Dämonen Technik genauso wenig nutzen konnten wie Vampire. Das zwang sie dazu, anachronistisch zu leben, doch Jasmine sah es nicht wirklich als Mangel an, wenn man Technik nicht richtig nutzen konnte. Sie hielt es außerdem für überflüssig. Das konnte aber auch daher rühren, dass ihre Schattenwandlerchemie es mit sich brachte, dass dieses von Menschen geschaffene Zeug häufig vor ihrer Nase explodierte. Oder daher, dass Schattenwandler mit allem geboren wurden, was sie an Annehmlichkeiten im Leben brauchten. Viele Schattenwandler fanden Technik überflüssig, andere fanden sie geradezu primitiv, verglichen mit dem, was sie mit ihren natürlichen Kräften zustande brachten.
Zehn Minuten später befand sich die Vampirin, der so überstürzt die Aufgabe übertragen worden war, als Botin des Prinzen aufzutreten, im großen Saal des Dämonenkönigs und wartete. Nach fünfhundert Jahren auf dem Planeten und weil sie eine Vampirin war, langweilte Jasmine sich sehr schnell. Sie konnte nicht länger als zwei Minuten stillhalten. Außerdem hielt sie nicht sonderlich viel von Etikette.
Die Vampirin begann sich in ihrer Umgebung umzuschauen und spazierte müßig durch die Zimmerfluchten im Erdgeschoss des Anwesens. Das Personal war daran gewöhnt, dass Fremde hier ein und aus gingen, weil ihr Herr ein großzügiger Gastgeber war, weshalb sie bei ihrem Rundgang nicht behelligt wurde.
Als ältere Vampirin war sie geübt darin, sich an die Dunkelheit anzupassen, und es war kinderleicht für sie, an den Wachen, die hier und da postiert waren, vorbeizuschlüpfen. Jasmine hatte gedacht, dass Noahs Wachen inzwischen geübter darin wären, jemanden von ihrer Spezies aufzuspüren, wegen der Verräterin Ruth und einigen abtrünnigen Vampiren, die sich ihr angeschlossen hatten. Man ging davon aus, dass Ruth und Nico, ein Vampir und Komplize und ein alter Widersacher von Damien, ihren letzten Kampf mit dem Vampirprinzen und seiner Lykanthropenbraut überlebt hatten. Ein Kampf, an dem Jasmine beteiligt gewesen war. Wenn diese Verräter eine so vernichtende Niederlage überlebt hatten, dann waren es in der Tat furchterregende Gegner.
Jasmine trat aus der Dunkelheit, während sie sich weiter umsah. Alles um sie herum war aus sorgfältig gemauertem englischen Stein. Jeder Teppich und jeder schwere Vorhang war feinste Handarbeit und so unzeitgemäß wie der ganze übrige Ort.
Es glich der Festung, in der sie als Beraterin des Prinzen lebte. Seit Damien Anfang des Jahres den Hof und die Wohnräume eingerichtet hatte, war noch keine Zeit gewesen, die kahlen Wände zu schmücken und es wohnlich zu gestalten.
Verglichen mit diesen persönlich und elegant eingerichteten Räumen war Damiens Schloss eher ausgestattet wie ein Kloster. Daran hatte sich in den letzten neun Monaten kaum etwas geändert, weil seine neue Herrin ihr ganzes Leben in einem Kloster verbracht hatte. Doch Syreena könnte zumindest versuchen, so zu sein wie andere Lykanthropen. Sie wussten immerhin, was es bedeutete, die Annehmlichkeiten des Lebens zu genießen. Natürlich waren Jasmines Gemächer mit all diesen Dingen ausgestattet. Wenn sie dafür zuständig gewesen wäre …
Jasmine unterbrach ihre fruchtlosen Gedanken.
Sie würde nie wieder die Herrin von Damiens Hausstand sein. Nur wenn ein unseliges Ereignis über die Prinzessin hereinbrechen würde. Doch sie konnte keine Freude empfinden bei diesem Gedanken. Damien liebte Syreena, und wenn ihr jemals etwas zustoßen sollte, würde es ihn vernichten. Jasmine würde das nicht erleben wollen, egal, wie sehr diese Frau ihr auf die Nerven ging. Sie überging ihre tieferen Gefühle in dieser Sache und konzentrierte sich nur darauf, dass sie wahrscheinlich Damiens Platz einnehmen würde, falls er bald sterben sollte, um ihre Spezies davor zu bewahren, von irgendeinem Trottel angeführt zu werden.
Sie war zwar, ehrlich gesagt, nicht der richtige Typ, um königliche Hoheit zu spielen, doch da ihr sonst niemand einfiel, würde sie zumindest dafür sorgen, dass der Status quo beibehalten wurde. Damien hatte jahrhundertelang regiert, und sie würde dafür sorgen, dass er das auch weiterhin tat.
Jasmine blieb
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