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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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überhaupt nicht ernst zu nehmen schien. Immerhin ließ sich mit der Wut ihre erneut aufflammende Furcht einigermaßen im Zaum halten.
    „Lass alle Rollladen unten!“, befahl er schroff, fast, als hätte er ihre Frage gar nicht gehört, und setzte sich auf ihren Sessel. Das zierliche Möbelstück ächzte unter seinem Gewicht.
    Daphne wartete wachsam ab, was nun passieren würde. Aber es passierte nichts. Zwischen ihnen herrschte eine drückende Stille, während draußen allmählich die Sonne aufging und das Zimmer durch die Schlitze der Rollladen in ein dämmriges Licht tauchte.
    Reagan rührte sich keinen Millimeter. Er harrte auf dem Sessel wie eine Statue und fixierte sie so intensiv, dass sie unruhig auf der Couch umherrutschte.
    Nach einer Weile hielt sie es nicht mehr aus.
    „Hab ich was im Gesicht?“, erkundigte sie sich wütend.
    Er schüttelte kaum merklich den Kopf.
    „Was dann?“
    „Ich frage mich, warum du geweint hast.“
    Alle Farbe wich aus Daphnes Gesicht und ihre Miene wurde abweisend.
    Ohne es zu merken wechselte auch sie in das vertrautere Du, das ungewöhnlich leicht über ihre Lippen kam.
    „Das geht dich nichts an.“
    „Das sehe ich anders.“
    Der Sessel knarrte erneut, als er sich erhob. Sein Schatten fiel über die Couch und er setzte sich neben sie.
    „Verschwinde“, fuhr sie ihn an und wieder ignorierte er sie.
    „Sag mir, wer dir wehgetan hat und ich brech’ ihm das Genick.“
    Daphne schluckte mit aller Gewalt den Kloß hinunter, der sich bei diesen Worten in ihrem Hals bildete, und rang nach Luft. Diese Anfälle hatte sie manchmal … Sie wusste, dass sie organisch kerngesund war, aber immer öfter überfiel sie ein Gefühl von Atemnot. Als würde die Luft, die sie einatmete, nicht zum Überleben reichen.
    „Es gibt niemanden, dem man das Genick brechen muss. Abgesehen davon halte ich nicht viel von brachialen Methoden“, presste sie hervor.
    Niemanden … außer vielleicht Halies Vater und ihre rücksichtslose Familie. Und die Politiker, die ihr jegliche finanzielle Unterstützung verweigerten. Aber das würde sie Reagan nicht auf die Nase binden. Irgendwie sah er so aus, als würde er das, was er da sagte, tatsächlich wahr machen.
    Reagan zog eine Augenbraue nach oben.
    „Du lügst.“
    „Nein“, widersprach sie leise und fröstelte.
    Die ganze Situation war absolut bizarr. Sie saß hier im Flur – im Morgengrauen, wo sie doch eigentlich schon längst auf der Arbeit hätte sein sollen – und heulte sich die Seele aus dem Leib wie ein kleines Kind. Daphne war immer eine willensstarke Persönlichkeit gewesen, die ihr Leben mit all seinen Schwierigkeiten meistern wollte. Allein. Doch nun geriet alles außer Kontrolle. Das Geld reichte längst nicht mehr aus, um alle Rechnungen zu bezahlen und sie wusste nicht, wie lang sie noch durchhalten würde. Sie wollte ihrer Tochter nicht solch ein Leben zumuten. Sie wollte ihr mehr Zeit schenken und ihr eine sorgenfreie Kindheit ermöglichen.
    Aber wie sollte sie das schaffen? Sie sah keinen Ausweg mehr.
    Sie fühlte sich verlassen, verstoßen und allein.
    Und genau in diesem Moment stand Reagan vor ihr und vermittelte ihr eine trügerische Illusion von … Schutz. Und zur Hölle noch mal, sie wusste nicht warum. Doch er würde in einigen Stunden aufstehen und gehen und sie zurücklassen, wie alle anderen es auch getan hatten.
    Sie hatte kein Recht darauf, dass er blieb. Sie kannte ihn ja nicht einmal.
    Der tiefe Klang seiner Stimme holte sie aus ihren Gedanken zurück.
    „Ihr glaubt immer, nur weil ihr euch selbst etwas vorspielen könnt, könnt ihr auch anderen etwas vorspielen.“
    Sie wollte widersprechen, wollte, dass er aufhörte, hinter die ersten Schichten ihrer Fassade zu sehen, als sie eine Bewegung spürte. Ihr ganzer Körper spannte sich an, als er seine Hand ausstreckte und eine ihrer Haarsträhnen zwischen die Finger nahm. Daphne wagte einen Blick auf sein Gesicht und blinzelte. Ein Ausdruck höchster Konzentration spiegeltesich in seiner Miene wider, als er sich vorbeugte und an ihren Haaren schnupperte.
    Sie harrte regungslos aus, als er die zweite Hand dazu nahm und über ihre Wange strich. Seine Haut war brennend heiß, rau und seine Berührung hinterließ ein Prickeln auf ihrer Haut.
    „Das darf nicht sein“, dachte Daphne benommen. „Ich lass’ mich nicht einfach von einem wildfremden Mann anfassen!“
    Ihre Haut fühlte sich so weich und vollkommen unter seinen Fingerspitzen an. Reagan hatte nur

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