Schattenwende
kosten wollen, probieren, wie diese helle Haut sich wohl anfühlen würde, doch jetzt wollte er mehr und der Drang ließ sich nur schwer zurückhalten.
Er war es nicht gewohnt, eine Frau vor sich zu haben, die ihm nicht ganz und gar ergeben war. Normalerweise taten sie alles, um nur einen einzigen Blick von ihm zu ergattern, doch jetzt war es anders.
Daphne sah aus, als würde sie jeden Moment zurückschrecken und das wollte er nicht.
„Was ist geschehen? Sag’s mir. Ich muss es wissen …“, flüsterte er mit rauer Stimme. Er wusste, dass er sich weit vorwagte und etwas von ihr forderte, dass er selbst nie geben würde. Wenn man so viel erlebt hatte wie er, war gefühlloses Verdrängen die einzige Art zu überleben.
Doch diese Frau weckte in ihm etwas, dass er längst verschollen geglaubt hatte: seinen Beschützerinstinkt.
Unter seinen Händen wirkte sie so zerbrechlich, so verwundbar.
„Sprich mit mir“, wiederholte er nachdrücklich und hob ihr Kinn an, zwang sie, ihm direkt ins Gesicht zu sehen.
In ihren großen Augen sammelten sich Tränen.
„Warum tust du das?“, flüsterte sie. „Warum spazierst du einfach in mein Leben und tust so, als würdest du mich kennen? Oder als würde es dich kümmern, wie es mir geht?“
Reagans Miene verhärtete sich kaum merklich.
„Ich weiß es nicht, Daphne. Mir wäre es lieber, mich würde es nicht interessieren, glaub mir.“
Es gab andere, wichtigere Dinge, auf die er sich konzentrieren musste, als auf diese Frau. Daphne zuckte zusammen.
„Dann sitz deine Zeit hier ab und lass mich in Ruhe“, antwortete sie, drehte ihren Kopf weg und erhob sich. Ihm schien, als würde zwischen ihnen eine Tür ins Schloss fallen. Konnte nach diesen wenigen Minuten überhaupt eine Tür zwischen ihnen existieren?
Sie strich ihren Pullover glatt und versuchte sich in einem höflichen, unverbindlichen Lächeln.
„Willst du was trinken?“ Beißende Ironie mischte sich in ihre Worte und er verkniff sich eine ehrliche Antwort. Er wollte. Von ihr. Trinken.
Reagan fixierte sie einen Augenblick finster, ehe er sich so schnell erhob, dass ihre menschlichen Augen ihm nicht folgen konnten.
„Weich mir nicht aus, wenn ich mir dir rede“, knurrte er bedrohlich leise und hielt ihre Unterarme mit seinen starken Händen fest. Sein unbarmherziger Griff schmerzte und Daphne keuchte auf. In einer einzigen fließenden Bewegung zog er sie an sich, sodass sie gegen seine Brust prallte und er seine Arme gänzlich um sie schließen konnte.
„Wehr dich nicht“, raunte er in ihr Ohr. Seine Hände glitten beruhigend über ihren Rücken, während er ihrem heftigen Herzschlag lauschte und ihren Duft in seine Lungen sog. Die winzigen Härchen auf ihren Armen richteten sich auf, als Reagans Finger unter ihre langen Haare glitten und ihren Nacken streichelten.
„Denk nicht dran, was war oder was kommen wird. Ich bin da und zwischen uns herrscht nur das Hier und Jetzt.“
Reagan las die ungläubigen Zweifel in ihren Augen und drückte sie noch fester an sich. Behutsam streckte er seine mentalen Sinne aus und besänftigte ihren Geist, schläferte ihn ein, zwang ihren Widerstand nieder.
Sie wehrte sich nicht und hing schlaff in seinen Armen. Ihr Kopf war auf seine Brust gefallen und ruhte dort, als ihr Puls sich langsam beruhigte.
Diesmal vorsichtig, nahm er sie auf seine Arme und durchquerte mit ihr den Flur.
Er trug sie ins Schlafzimmer und ließ sie sachte auf das Bett sinken.
Die Sonne stand inzwischen schon hoch am Himmel, weshalb er die Jalousien herunterließ und den Vorhang zuzog.
Vor dem Bett ging er in die Knie und betrachtete Daphnes Profil. Sie hatte ihre Augen geschlossen und ihr Brustkorb hob und senkte sich mit einer langsamen Regelmäßigkeit. Sie war jung, er schätzte sie auf EndeZwanzig, aber ihr Gesicht war bereits vom Leben gezeichnet. Es war schmal, mit hohen Wangenknochen, und die Wangen darunter waren ein wenig eingefallen. Sie hatte eine Stupsnase und volle, sinnliche Lippen. Doch das Schönste waren ihre Augen. Groß, ungewöhnlich dunkel und von langen Wimpern umrahmt. Daphne hatte ihm noch keine Gelegenheit geboten, sich in ihnen zu verlieren, aber das würde er noch nachholen, schwor sich der Vampir grimmig.
Ohne lange zu überlegen, legte Reagan sich neben sie, schob einen Arm unter ihren Körper und zog sie an sich. Er spürte, wie sie selbst im Schlaf zusammenzuckte.
Er ignorierte ihre Reaktion und legte ihr besitzergreifend eine Hand auf den Bauch.
„Es
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