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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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ist zu spät“, war sein letzter, brennender Gedanke, ehe er sich dem leichten, oberflächlichen Schlaf eines Vampirkriegers hingab.
    Der rundliche Mann mit der Glatze und dem roten Gesicht, der in einem heruntergekommenen Büro über seinen Schreibtisch gebeugt diverse Unterlagen studierte, erinnerte nicht im Entferntesten an eine Führungspersönlichkeit.
    Seine kleinen Augen irrten gehetzt in alle Richtungen, sein Atem ging flach und seine ruhelosen Hände waren oft feucht vor Nervosität, ganz gleich, ob es einen Grund gab oder nicht. Er war nachlässig gekleidet, seine graue Stoffhose war ihm etwas zu lang und am Saum schon abgewetzt. Das ehemals weiße T-Shirt, das er unter seinem dreckigen Kittel trug, hatte er unordentlich in den Hosenbund gestopft und es hing an mehreren Stellen heraus.
    Dieser Mann hieß Smith. Er war der leitende Wissenschaftler der Abteilung Secret Laboratory .
    Seine Aufgabe bestand darin, chemische und biologische Waffen zu entwickeln, zu überprüfen und zu verbessern. Darin war Smith Experte. Er galt als unangefochtener Spezialist auf diesem Gebiet und deshalb hatte man ihn hier engagiert. Man schätzte hier nicht nur sein exzellentes Fachwissen, sondern auch seinen Hang zum Perfektionismus.
    Smiths Leben war bis ins kleinste Detail durchgeplant. Er stand um sechs Uhr auf, um nach einer nachlässigen Reinigung und einer Tassestarken Kaffees zur Arbeit zu fahren. Punkt sieben fand er sich an seinem Platz im Labor ein, an dem er sich mit Hingabe seinen Chemikalien widmen konnte, bis er um 19 Uhr Feierabend machte.
    In Smiths Leben gab es keine Abnormalitäten, jeder Tag verlief nach dem gleichen Muster, denn jede Veränderung brachte ihn aus dem Konzept und er war nicht mehr in der Lage, erfolgreich zu arbeiten, bis sein Leben wieder in den gewohnten Bahnen verlief.
    Er war ein Einzelgänger, der Menschen verabscheute, denn sie waren unberechenbar und disharmonierten mit seinem strukturierten Lebensbild. Sie waren nicht wie sein Labor, nicht wie die chemischen Bestandteile seiner Arbeit. Sie waren einfach nicht vorhersagbar. Sie ließen sich nicht in einer Formel zusammenfassen, die Smith mit seiner Logik hätte verstehen können.
    Deshalb mied Smith den Kontakt mit anderen Personen, abgesehen von den wenigen Kollegen, mit denen er beruflich zwangsläufig zu tun hatte, und richtete den Fokus seines Daseins einzig und allein auf sein Labor.
    Doch nun war etwas geschehen, das Smith aus der Fassung brachte.
    Schweißperlen standen auf seiner Stirn, als er den Zettel las, den sein Arbeitgeber ihm hatte zukommen lassen:
    Sehr geehrter Mr. Smith,
    aufgrund Ihrer hervorragenden Leistungen – vor allem bei der Produktion
    hochentwickelter Substanzen im Bereich der chemischen Waffen – haben
    wir uns dazu entschlossen, Sie zu befördern, damit Sie sich neuen
    Herausforderungen widmen können. Wir bitten Sie, sich heute um 8 Uhr
    im Zimmer Nr. 110 einzufinden, damit wir alles weitere miteinander
    besprechen können.
    Jones
    Smiths Gesichtsmuskeln zuckten unkontrolliert, als er den Namen seines Vorgesetzten entzifferte, mit dem er bisher nur telefonischen Kontakt gehabt hatte.
    Ein persönliches Treffen hatte es noch nie gegeben – selbst dann nicht, als er eingestellt worden war – und auch keiner seiner Mitarbeiter hatte Jones jemals zu Gesicht bekommen. Seine Person wurde mit extremer Diskretion behandelt. Außerdem munkelte man, dass Jones sich nur selten hier, am Standort Los Angeles, aufhielt.
    Smith schob den Ärmel seines Kittels zurück und warf einen unruhigen Blick auf seine alte Armbanduhr: 7.27 Uhr. Er hatte noch eine knappe halbe Stunde Zeit.
    Vergeblich versuchte er, sich auf die Auswertungen seines letzten Experiments zu konzentrieren, aber die Angst vor dem ungewissen Ausgang des Gesprächs ließ ihm keine Ruhe.
    Er erhob sich und tigerte in seinem Büro auf und ab, dabei immer und immer wieder auf die Uhr starrend, auf der die Zeit so unendlich langsam verstrich. Tick Tack.
    7.31, 7.34, 7.36, 7.42, 7.44, 7.49, 7.50, …
    Smith beschloss, sich auf den Weg zu machen, um es hinter sich zu bringen und dann endlich zum Alltag zurückkehren zu können.
    Er zog seinen Kittel aus, hängte ihn an den dafür vorgesehenen Haken und ging mit klopfendem Herzen zum angewiesenen Zimmer. Kein Laut drang daraus hervor. So zog er seine zittrige Hand aus der Hosentasche und klopfte an die Tür.
    Der Bruchteil einer Sekunde verging, ehe die Tür aufgerissen wurde und Smith in das Gesicht eines

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