Schattenwende
riechende Salbe auf alle oberflächlichen Kratzer auf und verband präzise alle Wunden, die durch die Behandlung wieder aufbrachen und den Raum mit dem verführerischen, metallischen Duft von Blut füllten. Reagans Griff verfestigte sich unwillkürlich, als er den Kopf von der Quelle des Geruches abwandte.
„Es ist ein Skandal“, murmelte Reagan angeekelt vor sich hin. „Diese Frau trägt das Symbol der Liya, Daphne. Aber sie ist unser Feind. Sie kann keine Liyanerin sein. Das ist unmöglich.“
Daphne schwieg betroffen und näherte sich ihrer Freundin, die konzentriert und sorgfältig arbeitete.
„Kann ich dir irgendwie zur Hand gehen?“, bot sie leise ihre Hilfe an und ging neben Ria in die Hocke.
„Flöß ihr ein paar Schlucke Wasser ein. Sie hat so viel Flüssigkeit verloren.“
Daphne entging nicht, dass Ria sich scheute, das Wort „Blut“ in Anwesenheit von vier hungrigen, erschöpften Vampiren zu erwähnen. Sie nickte und wandte sich an Dwight, der mit seltsam leerem Blick an der Wand lehnte und vor sich hin stierte.
„Ruht euch aus. Besorgt euch Nahrung. Wir kümmern uns um sie.“
„Ich bleibe hier“, erwiderte Dwight schlicht und trotzig.
„Wenn ihr bald schon nach Europa aufbrechen wollt, müsst ihr im Vollbesitz eurer Kräfte sein“, ermahnte sie ihn sanft.
Dwight funkelte sie wütend an und rauschte an ihr vorbei.
Cayden stieß einen resignierten Seufzer aus und machte Anstalten, seinem Bruder zu folgen.
„Der weiß auch nicht, was er will. Erst alle umbringen. Dann doch nicht …“, brummte er vor sich hin und verließ, die Augen verdrehend, das Wohnzimmer.
Reagan trat hinter Daphne und drückte seine Lippen in einer solch behutsamen Geste auf ihren Scheitel, dass ihr fast die Tränen in die Augen gestiegen wären.
„Wir sehen uns nachher.“ Er nickte Damir zu und verschwand mit ihm.
Es klang nicht wie eine Tatsache. Eher wie ein Versprechen.
Rias Mundwinkel zuckten, als sie kurz von ihrer Patientin abließ.
Daphne, die das verräterische Lächeln im Gesicht der hübschen Rothaarigen nicht bemerkte, holte ein frisches Glas Wasser aus der Küche und setzte es an Niamhs Lippen. Vorsichtig benetzte sie ihre Lippen, bis die verletzte Frau sich unruhig bewegte. Erst dann hob sie ihren Kopf an und flößte ihr geduldig ein paar Schlucke der erfrischenden Flüssigkeit ein und wischte mit einem Handtuch die Tropfen von ihrem Kinn, die daneben gelaufen waren.
„Wird sie wieder gesund?“, fragte sie mit gedämpfter Stimme, während sie das Glas auf dem Wohnzimmertisch abstellte und eine weiche, braune Wolldecke über den ausgekühlten Körper legte.
„Oh, ich denke schon. Sie hat einige schwere Prellungen und die Verbrennungen sind auch nicht unerheblich, aber ich denke, in ein paar Tagen wird das Gröbste überstanden sein.“
Daphne betrachtete die verletzte Frau nachdenklich, während sie Ria half, die Verbandsreste vom Boden aufzusammeln und in den Papierkorb zu werfen. Tiefe Kratzer an Stirn und Wangen hatten ihr Gesicht verschandelt und es an manchen Stellen anschwellen lassen. Trotzdem zweifelte sie nicht daran, dass sich unter diesen Verletzung eine Schönheit verbarg.
„Was werden sie wohl mit ihr vorhaben?“, überlegte sie halblaut und war selbst darüber erstaunt, dass ein Anflug von Besorgnis in ihren Worten mitschwang.
„Ria, glaubst du, sie werden ihr etwas antun?“
Damirs Gefährtin schüttelte entschieden den Kopf. „Sie hätten sie dort sterben lassen können, nicht wahr? Sie hätten sie einfach nur liegen lassen müssen. Sie wäre verblutet, wenn sie nicht vorher verbrannt oder von einem herabstürzenden Gegenstand erschlagen worden wäre. Ich weiß nicht, was Dwight dazu gebracht hat, sie mitzubringen. Ich vermute, er weiß es selbst nicht einmal.“
Die Fernbedienung war ein allzu bereitwilliges Opfer. Sie ließ sich so leicht verbiegen, zerpressen und an die Wand schleudern. Ihre einzige Gegenwehr bestand aus einem dumpfen Knall, als sie, nur noch ein Haufen Plastikschrott, an der Wand und schließlich auf dem Boden landete.
Oh, Dwight war gesättigt. Sein Körper brannte nicht mehr vor Hunger, schrie nicht mehr nach köstlicher Nahrung. Er hatte die erstbeste aufgegriffen, die ihm draußen über den Weg gelaufen war, hatte sie in einen Hauseingang gezerrt und sich über sie hergemacht. Noch während er an ihrer Vene hing, hatte er ihr mit solch einer Brutalität das hautenge Kleid herunter gerissen, dass sämtliche Knöpfe abgesprungen und
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