Schattenwende
sie ein leises Knarren hinter sich hörte, fuhr sie herum.
Reagan lehnte im Türrahmen, in der Hand hielt er eine dampfende Tasse.
„Ich hatte gedacht, eine stärkende Brühe würde dir gut tun, wenn du schon nicht zum Essen runterkommst“, sprach er freundlich.
Daphne lächelte kaum merklich.
„Hast du die selbst gemacht oder war das Rias Idee?“, erkundigte sie sich mit hochgezogener Augenbraue.
Reagan verzog den Mund zu einem verschlagenen Grinsen, als er sich geschmeidig näherte und die Tasse in ihre kühlen Hände drückte.
„Andersrum, Daphne. Es war meine Idee und Ria hat sie umgesetzt.“
Sie schlang dankbar die Finger darum und trank in langsamen Schlucken. Reagan legte seine warmen Hände auf ihre Schultern und begann sie mit leichtem Druck zu massieren. Sie schauderte unwillkürlich.
„Überanstrenge dich nicht, Daphne“, murmelte er ruhig.
„Tu’ ich nicht. Ich passe auf“, versprach sie und stellte den Becher auf Niamhs Nachttisch ab.
Reagans Hände wanderten tiefer und schlossen sich um ihre Taille. Mit einem sanften Ruck zog er sie vom Stuhl. Ohne sich zu wehren, ließ sie sich gegen seinen Oberkörper sinken und lehnte ihren Kopf an seineSchulter. Einige Augenblicke verharrten sie still in dieser Haltung, bis die Tür erneut knarrte und ein höfliches Räuspern sie auseinander fahren ließ.
Ria blitzte sie fröhlich an.
„Oh, lasst euch von mir nicht stören“, schmunzelte sie. „Geh schlafen, Daphne. Ich werde jetzt übernehmen.“
„Das musst du nicht. Ich …“, protestierte Daphne, ehe sie verstummte, als Reagan ihr einen Finger auf die Lippen legte.
„Ich finde, das ist eine hervorragende Idee“, flüsterte er und hob sie hoch, als sei sie ein kleines Kind. Daphne warf Ria einen entschuldigenden Blick zu, bevor sie das Zimmer verließen und Reagan die Richtung zu seinem eigenen einschlug.
Vor der Holztür setzte er sie ab und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn.
„Du lagst die ganze Zeit falsch“, erklärte er ernst und betrachtete sie eingehend.
Daphne hob, überrascht von seinem plötzlichen Stimmungswechsel, den Kopf und starrte in sein nachdenkliches Gesicht.
„Wie meinst du das?“, wollte sie wissen.
„Ich habe mich die ganze Zeit egoistisch verhalten. Das war dumm von mir. Aber es geschah nicht aus dem Grund heraus, dass ich dich nicht mag. Du bedeutest mir viel, Daphne. Sehr viel.“
„Wirklich?“ Ihr Flüstern klang gequält und rüttelte abermals sein Gewissen auf.
„Wirklich. Ich habe nicht bedacht, dass deine Gabe alles nur noch viel schlimmer macht.“ Er griff ihre Hand und zog sie bedächtig in sein Zimmer.
„Es war nur alles so kompliziert“, fügte er abwesend hinzu.
„Kompliziert?“, wiederholte sie langsam und schob sich an ihm vorbei. Er drehte sich zu ihr um, die Arme locker vor der Brust verschränkt.
Daphne musste die Augen schließen, um sich von seinem überwältigenden Anblick nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Das schwache Licht schien seine dunklen Augen zum Glühen zu bringen und die Lichtflecken tanzten auf seinen muskulösen Armen. Auf seinen markanten Gesichtszügen. Und schienen sich in den langen, schwarzen Wimpern zu verfangen.
„Es ist nicht kompliziert“, antwortete sie mit einem wehmütigen Bedauern. „Es ist sogar ganz leicht, Reagan. Wenn man jemanden liebt, dann tut man ihm nicht weh.“
Sie spürte, dass er sie ansah, konnte seinen Blick brennend auf ihrer Haut fühlen. Er bewegte sich nicht, anscheinend sorgsam auf Abstand bedacht.
Als er sprach, klang es, als sei seine Stimme um einige Oktaven nach unten gerutscht:
„Ist es so leicht, Daphne? Muss man nicht manchmal wehtun? Um andere zu schützen?“
Sie öffnete widerwillig die Augen und schüttelte den Kopf.
„Nur weil manche Dinge klüger sind, bedeutet es nicht, dass sie deswegen auch richtig sind.“
Sie verfiel wieder in dieses brütende Schweigen, das er schon so oft an ihr gesehen hatte, wenn sie etwas verbergen wollte, wenn ihre Seele belastet war mit Dingen, die sie anderen nicht zumuten wollte.
„Komm mit nach London“, schlug er unvermittelt vor. „Wir wissen nicht, was uns dort erwartet und können jede Hilfe gebrauchen.“
Sie antwortete lange nicht.
„Ist das der einzige Grund, warum du mich dabei haben willst? Weil ich euch unterstützen könnte?“, wollte sie wissen. Er konnte ihre Resignation beinahe bis ins Knochenmark fühlen.
„Nein. Nein, wirklich nicht.“ Plötzlich stand er neben
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