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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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ihr und riss sie in seine Arme, in denen sie fast versank. Seine Hände gruben sich in ihre Haare, seine Nase drückte sich tief in ihre Halsbeuge.
    „Ich will dich bei mir haben. Jeden Tag. Jede Nacht.“
    Sie sollte endlich Sein werden. Er hatte schon viel zu lange gezögert.
    Halie rieb sich über die verschlafenen Augen und hob die Decke, um ihren zerwuschelten Kopf rauszustrecken. Hatte sie nicht etwas gehört? Sie gähnte verhalten und schlug die Decke zur Seite. Leise berührte sie mit ihren nackten Füßen den weichen Teppich vor ihrem Bett, als etwas ihre Aufmerksamkeit erregte.
    Sie kannte jede Ecke ihres Zimmers, jeden einzelnen Winkel, jeden Schatten, den die Möbel warfen. Nun schien sich ein weiterer dazugeselltzu haben, denn ihr Bett, das sonst vom hellen Mondlicht angestrahlt wurde, lag in verdächtiger Finsternis.
    Sie legte den Kopf in den Nacken, um eine bessere Aussicht auf ihre Balkontür zu haben. Die durchsichtige Gardine wehte leicht hin und her, obwohl sie sich sicher war, dass sie die Tür am Abend zuvor geschlossen hatte.
    Sie runzelte die Stirn, als ein frischer Windstoß den glatten Stoff hoch wirbelte und sie unter ihrem Schlafanzug frösteln ließ.
    „Du kommst zu spät“, schmollte sie missbilligend.
    Ein wunderschönes Lachen ertönte gedämpft hinter der Gardine, bevor er sie zur Seite schob und ins Licht trat.
    „Diese Unhöflichkeit kannst du unmöglich von deiner Mutter geerbt haben“, antwortete er spöttisch.
    Ihr Blick wurde weicher.
    „Wie geht es Mummy?“, wollte sie aufgeregt wissen.
    „Ihr geht es ausgezeichnet. Wir haben gut auf sie Acht gegeben. Sie wird sich bestimmt freuen, dich zu sehen.“
    Ihre Miene verzog sich zu einer zweifelnden Grimasse.
    „Ich glaube, sie wird eher böse auf mich sein. Ich darf eigentlich gar nicht mit dir reden.“
    Cayden stand plötzlich vor ihr, so plötzlich, dass sogar sie erschrak, obgleich sie sonst nie Angst vor ihm hatte. Er ging vor ihr in die Knie und betrachtete sie aus seinen meerblauen Augen nachdenklich.
    „Sie ist dir nie böse. Sie macht sich nur Sorgen. Machen sich nicht alle Sorgen um die Menschen, die sie lieben? Jedenfalls sollte es so sein, wenn man halbwegs normal tickt. Normaler als ich“, murmelte er und sie nickte, obwohl sie den Sinn seiner Worte nicht ganz verstehen konnte.
    „Hast du all das eingepackt, was ich dir gesagt habe?“
    Erneut nickte sie und deutete mit dem ausgestreckten Finger auf ihren Schrank.
    „Ich hab den Koffer gut versteckt, damit Tante Janet ihn nicht findet“, erklärte sie und ihre Augen funkelten stolz und begierig auf das Abenteuer, das sie erwartete.
    Cayden lächelte.
    „Sehr gut, Kleines.“ Er strich ihr nachlässig durch das zerzauste Haar, das ihn mit einem seltsam schmerzenden Stich an Daphne erinnerte. Es hatte die gleiche Farbe und es floss ihr ebenso wellengleich über die Schultern. Vor allem fühlte es sich unter seinen Fingern genauso weich an, wie das ihrer Mutter.
    Seit dem Experiment wusste er, dass es eine Verbindung zwischen ihnen gab, die mehr war als reine Freundschaft. Sie war wie eine Schwester für ihn geworden und er wurde nervös, wenn er sie für längere Zeit allein lassen musste. Zwar wusste er, dass Reagan bei ihr war und ihr so nichts geschehen konnte, was ihr nicht auch in seiner Anwesenheit hätte geschehen können, doch er kannte seinen Anführer. Er wusste, was in ihm vorging, was er dachte und vor allem, wie er empfand.
    Cayden war davon überzeugt, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis auch Reagan das in voller Tragweite erkannte, wenn es in den vergangenen Tagen nicht schon längst dazu gekommen war.
    Er sollte froh darum sein. Cayden war einfach nicht der Typ, der sich um andere sorgte. Er war frei, selbstständig und wollte die Vorteile seines Lebens als Vampir in vollen Zügen auskosten. Nicht wenige Nächte verbrachte er in Clubs und Bars oder in den Betten von Frauen, deren Namen er nie behalten konnte. Wie auch, wenn er sich nicht einmal an ihre Gesichter erinnern konnte.
    „Hey!“ Halie zupfte ungeduldig an seinem schwarzen Hemd.
    Cayden ließ seine Hand in die Hosentasche wandern und zog einen gefalteten Brief heraus.
    „Kennst du eine Stelle, an der ich ihn hinlegen kann, wo deine Tante ihn am ehesten findet?“
    Halie zog die Stirn in Falten. Man konnte ihr beim Nachdenken förmlich zuschauen, dachte er belustigt.
    „Mitten auf mein Bett?“, schlug sie vor. „Sie weckt mich jeden Morgen, wenn ich zur Schule muss.

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