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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Seck
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Reagan brauchte kein Licht. Seine messerscharfen Augen konnten jeden Winkel, jede Kontur des Raumes und der Möbel erfassen. Er drückte die Frau fester an sich, bewunderte insgeheim die Weichheit ihres Körpers, während er die Stufen nach oben in sein Appartement erklomm.
    Ein Windzug brachte ihn dazu, den Kopf zu heben. An der obersten Stufe stand Ria, verschlafen und mit zerzausten Haaren. Offenbar war sie gerade erst aufgewacht.
    Ein hinreißender Anblick.
    Sie grinste ihn schief an und deutete vage auf die Gestalt in seinen Armen.
    „Du hast jemanden mitgebracht.“
    Keine Frage, lediglich eine Feststellung.
    „Daphne. Das ist Daphne“, antwortete er leise und mit einer solch
    ungewöhnlichen Zärtlichkeit in der Stimme, dass Ria ihn verwundert lächelnd musterte.
    „Daphne. Ein schöner Name. Passt zu ihr“, erwiderte sie warm und trat bereitwillig zur Seite, um ihn vorbeizulassen.
    „Wird sie hier bleiben?“
    Eine überaus berechtigte Frage. Reagan widerstand dem Impuls, sie zu rasch, zu eilig, zu heftig zu bejahen und zuckte die Schultern.
    „Sie ist Liyanerin, Ria. Erklärt sich deine Frage da nicht von selbst?“
    Rias Miene wurde traurig. Sie beugte sich zu der schlafenden Frau hinunter und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
    „Lass ihr eine Wahl, Reagan.“
    „Hatten wir jemals eine Wahl, Ria?“
    Ihre smaragdgrünen Augen funkelten. In ihrer Iris strahlte jedoch noch viel mehr als dieses tiefe Grün. Ein regenbogenfarbiges, sternförmiges Symbol blitzte Reagan entgegen.
    „Wir haben alle eine Wahl. Auch wenn man sie manchmal nicht erkennen mag.“
    „Unsere Bestimmung lässt uns keinen Freiraum. Niemals.“
    Bei seinem brüsken Ton senkte sie unterwürfig den Kopf und ließ ihn ziehen, als er mit schweren Schritten hinter der dicken Tür seiner Wohnung verschwand. Er war nach wie vor der oberste Vampir und der Anführer der Shadowfall. Sie konnte ihm beratend zur Seite stehen, aber die Entscheidungen traf er letztendlich alleine.
    „Oh Reagan. Tu ihr nicht weh“, flüsterte Ria, ehe sie sich die Augen rieb und den Weg zur Küche antrat. Reagans Schritte verhallten und sie stieß einen tiefen Seufzer aus. In dem Augenblick, als sie den kühlen Türgriff umfasste, kündigte sich plötzlich eine Vision an. Ihr Blick flackerte und wurde unscharf. Sie beeilte sich, in die Küche zu gelangen und die Tür hinter sich ins Schloss zu werfen, um sich rasch auf einen Stuhl zu setzen.
    Keine Sekunde zu früh …
    Das Mädchen weinte.
    Haltlos, aus tiefster Seele und unerbittlich.
    Seine Mutter lag leblos zu seinen Füßen, mit aufgeschlitztem Hals und in einer Blutlache, die sich wie ein See um sie herum ausbreitete. Die rote Flüssigkeit erreichte die nackte Haut seiner kleinen Füße und zerrte daran, zerrte es zu Boden als wolle sie auch das Mädchen in ihre Klauen bekommen und verschlingen.
    „Mama, Mama“, wimmerte es ängstlich und schluchzte so heftig, dass sein kleiner Körper brutal durchgeschüttelt wurde. Es zitterte und bebte und ließ sich auf die Knie fallen. Ein bösartiges Klatschen ertönte und sein
    Nachthemd sog sich voll mit dem unschuldigen Blut, mit dem reinen, vollkommenen Blut.
    Die Augen seiner Mutter waren offen und starrten teilnahmslos in die Ferne, an irgendeinen weit entfernten Punkt, zu dem es ihr nicht folgen konnte. Tränen rannen seine Wangen hinab, als es sich neben der toten Frau zusammenrollte und sich dicht an deren Körper drängte.
    Es war finster und die Nacht kroch durch die aufgebrochene Tür hinein in das Haus, von dem es immer geglaubt hatte, es würde alle Alpträume, alle Monster, alle schrecklichen Kreaturen fernhalten. Es hatte die dicken Mauern des Gebäudes stets geliebt, wegen ihres Schutzes, ihrer Sicherheit. Sein kindlicher Glaube an Schutz und Sicherheit war nun erschüttert, nein, dem Erdboden gleichgemacht. Zerstampft, zertreten und grausam vernichtet. Die bösen Männer waren wie aus dem Nichts aufgetaucht, hatten die Tür mit einem ohrenbetäubenden Splittern auseinander gerissen und waren über seine Mutter hergefallen. Sie hatten sich über sie gebeugt, noch ehe sie einen erschrockenen Schrei ausstoßen konnte, sie gepackt und zu Boden geschleudert, um sich zu dritt auf sie zu werfen. Als sie von ihr abließen, war sie tot.
    Seine Mutter war einfach tot. Tot tot tot.
    Im einfallenden Licht des Mondes hatte sich einer von ihnen zu ihm umgedreht und es eine grauenvolle Sekunde lang angesehen, die Lippen zu einem fratzenhaften Lächeln

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