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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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aufstanden, näherte Anna sich Cyriel sehr zielstrebig. »Wie schön, dass wir zusammenarbeiten werden. Und was machen wir jetzt? Vielleicht können Sie uns heute Abend ein bisschen die Stadt zeigen?«
    In Cyriels Gesicht verwandelte sich die Wut in Verblüffung.
    »Es wäre doch schön, wenn wir uns vor der Arbeit etwas besser kennenlernen«, fügte Anna mit süßlichem Lächeln hinzu.
    »Die Stadt?«
    »Ja. Bestimmt wissen Sie doch, wo es hier die besten Kneipen gibt. Oder möchten Sie lieber ins Kino?«
    »Ich … habe noch sehr viel Arbeit«, erwiderte Cyriel,der nicht zu wissen schien, wie er mit dieser geballten Frauenpower umgehen sollte. »Wollen Sie nicht lieber fernsehen? Ruben hatte mich gebeten, oben in den Gästezimmern zwei Geräte anzuschließen.«
    Anna legte den Kopf schief. »Natürlich können wir Mädels auch allein gehen. Ich dachte nur, abends im Dunkeln …«
    »Sie können sich ein Taxi nehmen«, schlug Ruben hilfreich vor, während Cyriel ohne ein weiteres Wort auf der Kellertreppe verschwand.
    Anna war die Enttäuschung anzusehen.
    »Tut mir leid, ich bin auch nicht so der Kneipengänger«, murmelte ich, obwohl mir klar war, dass ich kein Ersatz für Cyriel sein konnte.
    »Dann lass uns mal in der Küche nachsehen, ob wir Knabberzeug finden. Machen wir doch einfach eine gemütliche Zimmerparty zu zweit!«, sagte meine neue Kollegin und überraschte mich mit einem freundlichen Lächeln.
    »Gern«, erwiderte ich und folgte ihr.
    Annas Zimmer sah schon jetzt nach Annas Zimmer aus, obwohl sie erst wenige Stunden hier war. Im halb geöffneten Schrank hingen mehrere T-Shirts, Designerjeans und Blazer, und auf dem Boden des Schranks konnte ich mindestens sechs Paar Schuhe und ein Paar Overknee-Stiefel erkennen. Auf dem Nachttisch stand eine große Schüssel voll mit Ketten und Klimperarmbändern. An der Wand hing ein Kalender mit abfotografierten Gemälden. Es war einer von diesen Do-it-yourself-Kalendern. Neugierig trat ich näher heran. Das Juni-Bild war das Ölporträt eines attraktiven Mannes mit einer langen markanten Nase und funkelndem Blick.
    »Darf ich?«, fragte ich.
    Anna nickte und ich blätterte weiter. Lauter Porträts. Einige Mädchen, eine ältere Frau, aber auffallend oft derselbe Mann.
    »Hast du diese Bilder gemalt?«
    Sie nickte wieder.
    »Mister Juni scheint es dir angetan zu haben.«
    Sie stellte sich neben mich. »Mein Zeichenlehrer. Deshalb habe ich ihn so oft gemalt.«
    »Ach, diesen Herrn Fabiani hatte ich mir älter vorgestellt«, erklärte ich amüsiert. »Und so einen bezahlen dir deine Eltern?«
    Schwungvoll klappte sie den Kalender zu. »Er hat mir das Malen beigebracht.«
    »Und das nicht mal schlecht«, rutschte es mir heraus. Eigentlich hatte ich ihr kein Kompliment machen wollen, aber die Qualität der Bilder hatte mich doch überrascht. »Herr Nachtmann hat recht, die Gesichter wirken erstaunlich lebendig.«
    Anna ließ sich auf das Bett fallen und stellte in die Mitte den Teller mit den Salzstangen, die sie in der Küche nach langem Suchen gefunden hatte.
    Ich schenkte uns O-Saft ein – das einzige Getränk außer Wasser, das es hier gab – und setzte mich zu Anna.
    »Warum hast du den Kalender mitgebracht?«
    Anna zuckte mit den Schultern. »Ich war mir unsicher, ob Herr Nachtmann dieses Wahnsinnsangebot nicht doch noch zurückziehen würde, deshalb wollte ich zur Sicherheit meine Mappe mitbringen. Wie man sich eben als Künstler so vorstellt. Aber das schien mir dann doch zu umfangreich und zu … aufdringlich.«
    Ich musterte sie und stellte fest, dass Annas perfekte Fassade etwas bröckelte: Das selbstbewusste Streberweib war in Wirklichkeit ein unsicheres und vermutlich wohlbehütetes Mädchen.
    »Und wie findest du unseren Auftraggeber?«, lenkte sie vom Thema ab. »Manchmal wirkt er ein bisschen bedrohlich, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das finde ich nicht. Er ist ein roher Klotz, wenn es um Kunst geht, würde ich mal behaupten. So ein Bild zu übermalen …! Andererseits hat er etwas, das ich mag.«
    »Er ist ein echter Pascha, wenn es um seine Familie geht!«, konterte Anna.
    »Wohl wahr«, murmelte ich. »Er behandelt seinen Bruder und dessen Frau wie Dienstpersonal …
    »… was die sich andererseits auch gefallen lassen«, ergänzte Anna.
    »Trotzdem wirkt er sehr offen und interessiert«, warf ich ein. »Ich glaube, dass er uns eine Chance geben will, etwas im Leben zu erreichen. Zumindest ich würde ohne ihn ziemlich im Regen stehen –

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