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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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einem Raum, in dem lautes Stühlerücken und noch lauteres Gemurmel vermuten ließen, dass sich gerade alle »Bewohner« dort versammelten.
    »Ist hier noch ein Platz frei?«, fragte Jessy.
    Eine Hand zog sie sanft auf einen Stuhl.
    »Wo sind wir? Ist das eine Art … Pflegeheim?«
    »Psst!«, zischte die Frau von vorhin.
    In diesem Augenblick brach das Gemurmel schlagartig ab. Die Stille knisterte im Raum, als wäre er plötzlich leer. Dann hörte Jessy hier ein unterdrücktes Hüsteln und dort ein scharfes Einatmen. Schließlich ein metallisches Klingeln. Ein Rumpeln. Etwas Schweres rollte herein. Jessys Magen knurrte laut, als sie Bratenduft in die Nase bekam. Und Kohlrabi.
    »Warum sind alle so still?«, flüsterte sie.
    Ihre Nachbarin drückte ihr schweigend eine Hand auf den Mund.
    Jessy erschrak – und schwieg auch dann noch, als die Hand sich von ihrem Mund gelöst hatte. Hinter ihrem Rücken hörte sie den Essenswagen näher kommen. Jemand stellte Teller und Gläser auf die Tische. Als er bei Jessy war, streifte ein durchaus menschlicher Arm ihre Schulter. Aber das konnte sie nicht täuschen. Das Wesen war vollkommen lautlos. Keine Schritte. Kein Atem.
    In panischer Erstarrung wartete Jessy, bis das Etwas an ihr vorbeigegangen war. Ihr Hunger war verflogen und sie hatte das Gefühl, sich nie wieder rühren zu können.

Kira
    Am nächsten Morgen war Cyriel schon im Verlies, als Anna und ich kamen. Er hatte zwei Stühle und einen alten Holztisch in die Mitte des Raums gestellt und war soeben dabei, Material darauf auszubreiten, das ich neugierig begutachtete.
    Ein Mikroskop, eine alte, dicke Lupe, einige Reinigungspinsel, Skalpelle, Mikroschwämme und Viskoseschwämme auf der einen Seite, die vermutlich für mich gedacht war. Auf der anderen – Annas Seite – gab es Pinsel, Pipetten, Glaspaletten, ein Glas mit Zellulose und eine Reihe von Glasbehältern mit Pigmenten. Pigmente, die den Raum zum Leuchten brachten!
    Plötzlich bemerkte ich, dass Cyriel mich bereits eine Weile ansah. Ich hoffte nur, dass er mein begeistertes Strahlen nicht auf sich bezog.
    »Diesen Anblick fand ich schon immer toll«, sagte ich.
    Er wandte mir den Rücken zu und schob die fast gerade ausgerichteten Pipetten so, dass sie perfekt parallel zueinander lagen.
    »Ungewöhnlich für eine BWL-Studentin«, bemerkte er trocken.
    Aha, er wollte also Krieg!
    »Nicht ungewöhnlicher als ein angeblicher Fresko-Experte, der Chemie studiert hat, nehme ich an.« Ich lächelte ihm offen ins Gesicht. Er runzelte die Stirn.
    »Das alles hier können Sie benutzen«, sagte er, als hätte er nichts gehört. »Falls Sie Hilfe brauchen, stehe ich gern zur Verfügung.«
    Wie großzügig! Sein Blick legte nahe, dass er uns nicht allzu viel zutraute.
    »Danke!« Ich ließ meine Reisetasche von der Schulter zu Boden gleiten. »Aber ich habe eigenes Material dabei.«
    Ich spürte, dass er mich genau beobachtete, während ich den Reißverschluss öffnete und vorsichtig in die Tasche griff.
    «Schön, dass Sie vorbereitet sind. Trotzdem muss ich darauf bestehen, dass Sie keine modernen Farben verwenden«, erwiderte er ernst, während er mich beobachtete.
    »Keine Sorge, ich habe meine Filzstifte zu Hause gelassen. Ehrlich gesagt habe ich gar keine Farben dabei!«
    Bisher hatte ich es genossen, ihn zu provozieren – weil es so herrlich einfach war. Aber langsam machte er mich wirklich wütend.
    Anna lachte nervös auf und schenkte Cyriel einen Blick, der besagte, dass sie ihre zickige Kollegin auch nicht verstand.
    »Wir werden natürlich gern Ihre Farben benutzen«, sagte sie sanft.
    Musste die sich jetzt auch noch einmischen?
    » Du wirst sie benutzen!«, murmelte ich leise und knallte meine Kopflupe etwas zu hart auf den Tisch. » Du wirst malen. Ich bin ja nur die Restauratorin.«
    Cyriel musterte skeptisch die skurrile Lupe, die zugegebenermaßen wirkte wie ein Helm aus »Krieg der Sterne«. An den Trägerbügeln aus Kunststoff war die eigentliche Lupe befestigt, die aussah wie ein kleines Fernglas.
    »Eindrucksvoll!«, sagte er trocken. »Zumindest Ihrer Ausrüstung nach müssen Sie ein Profi sein.«
    Was bildete der sich ein? In meiner Wut wäre ich ihm am liebsten ins Gesicht gesprungen. Stattdessen bemühte ich mich zumindest äußerlich, seine Angriffe an mir abprallen zu lassen. Mit übertriebener Ruhe holte ich eine Spritze, einige Spatel, Pinsel und Schwämme heraus, die seinen sehr ähnlich waren. Zum Schluss klappte ich den Koffer mit der

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