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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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vor seinem Tod alleingelassen. Die Typen von der Uni, diemies über ihn reden, haben zwar keine Ahnung, aber sie haben nicht ganz unrecht. Mein Vater hat sich zuletzt in etwas reingesteigert. Eine Erfindung. Und je näher er der Lösung kam, desto mehr hat er sich von der Welt entfernt. Er hat sich immer mehr zurückgezogen und war kaum noch ansprechbar. Zum Schluss hat er ausschließlich schwarze Kleckse produziert. Und was hat er erreicht? Nichts! Die große Erfindung hat er nie vollendet.«
    Ruben sog die Luft scharf ein. »Hat er das behauptet?«
    Verwirrt sah ich ihn an. »Ich weiß, dass er sie nie vollendet hat – sonst hätte er mir doch davon erzählt!«
    Ruben wich meinem Blick aus. »Hat er mit Ihnen darüber gesprochen, worum es bei dieser Erfindung ging?«
    »Ja«, seufzte ich. »Er wollte das tiefste Schwarz finden. Ein Schwarz, das alles Licht schluckt. Aber ich glaube – ehrlich gesagt –, dass das ein Symbol für seine Depressionen war. Und dass er sein Scheitern wohl wirklich als schwärzestes Schwarz empfunden hat.«
    So deutlich hatte ich meine Meinung noch nie ausgesprochen, und es tat gut, diese schreckliche Theorie einmal loszuwerden. Aber mein Gastgeber schüttelte den Kopf, stand auf und fuhr sich durchs Haar.
    »Als ich mit ihm über den Auftrag hier gesprochen habe, haben wir ein Glas Wein zusammen getrunken. Nun, vielleicht waren es auch zwei oder drei Gläser.« Er schmunzelte. »Und dann hat er ganz frei von seiner Erfindung erzählt, als müsse er sich eine Last von seinem Herzen schaufeln – und ich war zufällig gerade da. Das Ganze hat ihn regelrecht erdrückt. Einerseits war er so stolz: Er hatte das schwärzeste Schwarz tatsächlich gefunden. Es reflektierte nur 0,3 Prozent des frontal einfallenden Lichts.Es war der reine Wahnsinn – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe es gesehen: Es schmerzte in den Augen!«
    Die Bilder, die missglückten Versuche! Die kannte ich. Aber wenn Paps es geschafft hätte … das hätte er mir doch nie verschwiegen?
    »Er hat mir gesagt«, fuhr Herr Nachtmann fort, »er habe eine Farbe gefunden, die alles möglich macht. Und gleichzeitig müsse er sie mit in sein Grab nehmen – weil sie alles möglich macht. Ich habe das an jenem Abend als Gerede abgetan, aufgebauscht durch den Wein. Er hat irgendetwas gemurmelt, dass er diese Farbe mit niemandem teilen wolle.«
    Nicht mal mit mir! Der Gedanke tat weh. Mit Ruben Nachtmann hatte er es geteilt!
    Mein Innerstes stand in Flammen, die alles niederbrannten, was sich in meine Gedanken stahl. Ich wusste nur noch eins: dass ich wütend auf meinen Vater war! Der nach Jahren erfolgreicher Arbeit seinen Ruf aufs Spiel gesetzt hatte wegen einer fixen Idee! Der diese Idee nicht veröffentlichen wollte und damit hinnahm, dass alle Welt ihn verspottete!
    Schweigend stand ich auf und ging langsam zurück in Richtung Haus. Nachtmann schritt neben mir her, ohne mir zu nahe zu kommen, als wolle er mich in meinen Gedanken nicht stören.
    »Meinen Sie nicht«, fragte er sehr sanft, »er wollte der Welt etwas hinterlassen, was wirklich er geschaffen hat?«
    Diese Frage konnte ich nicht beantworten. Mein Vater war für mich jetzt ein Fremder! »Und was ist ihm geblieben? Seine ehemaligen Freunde verachten ihn. Laurin Tressler, den gefragten Restaurator, hat es plötzlich niegegeben. Nur einen Verrückten, der Selbstmord begangen hat.«
    Ich spuckte die Worte mit Bitterkeit aus.
    Ruben blieb stehen, atmete tief ein und blickte in die Wolken, die sich gerade orange färbten. Wie eine Marionette, die niemand führt, hielt ich ein Stück von ihm entfernt inne.
    »Dann müssen Sie seine Erfindung eben veröffentlichen – unter seinem Namen«, sagte Ruben. »Und die anderen werden sehen, dass er weiter gedacht hat als sie alle.«
    »Wie denn?«, fragte ich verzweifelt. »Ich war an seinem verfluchten Schwarz nicht beteiligt. Und selbst wenn ich die Formel finden würde … Ich bin eine neunzehnjährige Abiturientin ohne Ausbildung. Wie sollte ich das Schwarz hinkriegen? Und wer würde meine wunderbare Entdeckung veröffentlichen?«
    Nachtmann legte eine Hand auf meine Schulter. »Als Chemiker kann ich Ihnen das Material bestellen, das Sie brauchen, das tue ich gern. Außerdem habe ich Kontakte. Ich werde bestimmt eine Möglichkeit finden, die Erfindung Ihres Vaters platzen zu lassen wie eine Bombe. Wir müssen nur noch herausfinden, wie man sie baut.«
    Sein raues Lachen irritierte mich. Wie sollte er auch ahnen, wie sehr

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