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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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niemand folgen, wenn wir die Tür hinter uns zuziehen.«
    »Fast niemand, meinst du«, flüsterte ich zurück.
    Sie atmete tief durch. »Wenn er hier ist, kann er uns auch dann locker einholen, wenn wir wegrennen.«
    Was für eine motivierende Auskunft!
    »Okay!«, sagte ich leise. »Gehen wir rein.«
    Jessy griff ins Nichts – ich konnte es genau sehen, dass dort nichts war! Und gleichzeitig zeigte mir der Druck ihrer Hand, die Muskulatur ihrer Finger, dass sie etwas umklammerte. Sie drückte die unsichtbare Klinke herunter und öffnete eine Tür. Also … eher pantomimisch. Denn vor ihr waren noch immer die großen grauen Steine zu sehen, die fest verfugt waren. Oder waren sie etwas heller geworden? Nein, wohl nicht. Sicher war das nur Einbildung, weil ich etwas sehen wollte.
    Jessy machte eine auffordernde Armbewegung wie ein obervornehmer Kellner, dass ich hindurchgehen solle.
    »Sorry. Da ist eine Wand«, sagte ich seufzend.
    Aber meine neue Freundin schüttelte den Kopf und ging voraus – durch die Wand.
    Ich sog die Luft scharf durch die Zähne und streckte den Arm aus. Die Steinwand war auf meiner Netzhaut klar und deutlich zu sehen, aber meine Finger wollten davon nichts wissen. Sie griffen hindurch und für eine Sekunde konnte ich meine Hand nicht mehr sehen. Erschrocken zog ich sie zurück.
    Im gleichen Moment hörte ich das Geräusch wieder. Diesmal war es deutlicher und lauter. Als ich den Kopf wandte, stand ein paar Meter von mir entfernt eine Gestalt. Meine Lieblingsverräterin!
    »Nehmt mich mit«, sagte Anna, die mit großen Augen die Wand anstarrte, in der eben meine Finger verschwunden waren.
    »Als Dank für die Nummer mit dem ›Das-muss-Cyriel- wissen‹?«, fragte ich stinkwütend.
    Jessy streckte den Kopf durch die Tür. Dieserunnatürliche Wandauswuchs war erschreckend – wie eine Figur in Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett, Abteilung Folterkammer!
    »Was ist los?«, fragte sie.
    »Nehmt mich mit!«, wiederholte Anna mit brüchiger Stimme. »Bitte!«
    Gut gespielt!, dachte ich. Dann sah ich ihre Finger, die sie nach der Wand ausstreckte. Sie waren faltig und zitterten. Von Annas auftrumpfendem Selbstbewusstsein war nichts geblieben.
    »Ich träume jede Nacht davon, dass ich durch diese Wand gehen kann. Und jetzt könnt ihr das einfach so! Jede Nacht wünsche ich mir genau das!«
    Hin- und hergerissen schluckte ich meine erste Wut hinunter.
    »Bist du auch sicher, dass du Cyriel nichts davon erzählen wirst?«, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen.
    Sie wich meinem Blick aus. »Wenn ich nicht berühren kann, was da drin ist, sterbe ich! Das fühle ich.«
    Jessy lauschte ihr fasziniert. »So in etwa hat es Lara einmal ausgedrückt. Bei mir ist das Gefühl weitaus schwächer, aber es ist ähnlich. Kommt beide mit rein, ich will endlich wissen, was für ein Raum das ist, und wir müssen vom Gang weg!«
    Natürlich hatte sie recht. Niemand durfte wissen, dass wir hier waren.
    Der Raum kam mir bekannt vor. Er sah genauso aus wie der gewölbeartige Vorratsraum, den Gabriel mir gezeigt hatte – haargenau! Nur dass jetzt links und rechts je vier mannshohe Weinfässer auf Halterungen lagen.
    »Seht ihr schon etwas?«, fragte Jessy leise, währendsie einen Stein in die Tür legte, damit sie nicht zufallen konnte. Anna ging währenddessen wie gebannt tiefer in den Raum hinein.
    »Große Weinfässer. Ist es das, was euch so angezogen hat? Wein?«, witzelte ich – obwohl mir nicht nach Witzen zumute war.
    Jessy deutete ein Kopfschütteln an und lauschte so konzentriert, dass ich wirklich Angst bekam. Was erwartete sie hier?
    Plötzlich bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie Anna zurückzuckte.
    »Wer ist das?«, fragte sie in Richtung des hintersten Weinfasses.
    Dann sah ich es auch: Aus dem Zapfhahn quoll etwas heraus. Beinahe wie Rauch, aber dichter. Und dunkler. Es wirbelte in Kreisen höher und höher wie eine Spirale, bis eine Form erkennbar war: Etwas Schwarzes, sehr Menschliches schwebte auf uns zu.
    Mit einem Schrei sprang ich in Richtung Tür, aber Jessy hielt mich mit unvermutet festem Griff am Arm zurück. »Bleib bei mir und sag mir, was du siehst.«
    »Ein Schattenwesen!«, stieß ich hervor. »Ist … ist er das?«
    Jessy schüttelte den Kopf und krallte sich noch fester an meinen Arm. »Ganz sicher nicht. Ich habe schon einmal mit ihm gesprochen und seine Anwesenheit … fühlte sich anders an. Roch anders. Dieser hier riecht gar nicht. Deshalb brauche ich deine

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