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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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Augen.«
    Keuchend beobachtete ich, was geschah. Wäre ich nicht so erstarrt gewesen vor Schreck, hätte ich Jessy vielleicht stehen gelassen. So aber war es wie ein Horrorfilm, bei dem ich nicht wegsehen konnte: Aus allenWeinfässern kamen jetzt gleichzeitig weitere Schatten, die durch den Raum wirbelten, als hätten wir sie aufgeschreckt. Wir schienen diese grauenvollen Wesen magisch anzuziehen. Mein Herz stand fast still, als sie auf uns zukamen, immer näher. Es gab nicht nur einen davon – es gab unglaublich viele!
    »Jessy, wir müssen hier raus!«, zischte ich panisch und zog sie in Richtung Tür. Zumindest dorthin, wo ich die Tür vermutete. So ein Mist! Jessy war die Einzige, die uns rausführen konnte. Und gleich hatten uns die ersten Schatten erreicht!
    »Warum?«, fragte sie erstaunt. »Du hast doch nicht etwa Angst vor ihnen?«
    Verblüfft blieb ich stehen und sah Jessy an. Ihr Gesichtsausdruck war beinahe verklärt, als sie meine Hand losließ und ihre Arme ausstreckte wie nach Regentropfen in einer heißen Sommernacht. War sie vielleicht doch nicht so normal, wie ich angenommen hatte? Auch Anna stand jetzt mit ausgestreckten Armen inmitten der Schatten. Nein, sie stand nicht, sie tanzte mit ihnen! Das war der skurrilste Anblick, den ich mir vorstellen konnte. Schwarze Wesen flogen in immer enger werdenden Kreisen um Anna herum, während sie mit geschlossenen Augen die Hüften wiegte und mit ihren Fingern durch die Luft fuhr.
    »Kira!«
    Jessys Stimme riss mich aus meinen wirren Gedanken.
    »Sag mir, was du fühlst«, bat sie und ich konnte hören, dass sie eine ganz besondere Antwort erwartete.
    »Panik«, erwiderte ich mit flachem Atem. »Und ich will jetzt hier raus! Bitte! Öffne die Tür!«
    Jessy legte ihre Hand auf meine Schulter. »Sei ganz ruhig! Spürst du das nicht? Diese Schatten sind uns nicht feindlich gesinnt. Kannst du nicht die Sehnsucht in ihnen fühlen? Verlust und Hoffnung? Liebe und Verzweiflung?«
    Inzwischen hatten sich die Dinger zu einem bedrohlichen schwarzen Nebel zusammengerottet.
    »Du hast ja keine Ahnung!«, keuchte ich. »Ich habe schon dreimal einen Schatten gesehen, und ich bin mir ganz sicher, dass der mir feindlich gesinnt war!«
    Jessy zögerte. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es diese Schatten waren. Ich habe da eine ganz andere Theorie. Die gleiche wie Lara.«
    Erstaunt sah ich Jessy an. Was hatte Lara noch mal gesagt? Der Geist, der uns verlassen hat.
    »Du meinst, sie sind der Verstand, den die Menschen hier verloren haben?«
    Jessy zuckte mit den Schultern. »Im Prinzip auch das. Aber uns allen hier unten fehlt noch etwas. Allen – außer dir.«
    Ich fing an zu begreifen. Nur glauben konnte ich es nicht. »Willst du damit sagen, jemand hat eure Schatten gestohlen und in Weinfässern gelagert?«
    Jessy streckte schweigend die Hand aus, während ein dunkles Etwas langsam heranglitt und ihre Fingerspitzen berührte. Wie ein Hund, der einen Menschen zur Begrüßung beschnüffelt. Jetzt spürte auch ich, dass er nichts Böses von uns wollte.
    »Von diesem Schatten ging das warme Gefühl aus, das mich durch all die Gänge bis hierher gezogen hat …«, raunte Jessy heiser. »Ich glaube, das ist meiner.«

Kira
    Als ich Jessy endlich zum Gehen überreden konnte, tanzte Anna noch immer völlig vertieft mit ihrem Schatten. Die anderen hatten sich mehr und mehr zurückgezogen. Jessy meinte, sie hätten ihr Gegenstück nicht gefunden und legten sich wieder schlafen – oder was auch immer Schatten taten, wenn sie allein waren.
    Unsere Rufe erreichten Anna nicht, also musste ich zu ihr gehen und sie wegziehen. Dabei unterdrückte ich die Angst, das schwarze Ding zu berühren, das sie umgarnte.
    »Aber es ist so schön hier«, protestierte Anna leise.
    »Ich weiß«, nickte ich. »Und genau deshalb müssen wir einen Weg finden … euer Problem zu lösen.«
    »Welches Problem?«, fragte sie, ließ sich aber mitziehen.
    Nun, so genau konnte ich ihr das auch nicht beantworten. Bis gerade eben hätte ich jeden für verrückt erklärt, der behauptete, man könne Schatten stehlen. Die nächste Frage würde wohl lauten, ob man Körper und Schatten wieder verbinden konnte. So leicht wie bei einem Topf und einem Deckel war es offenbar nicht, sonst hätten Jessy und Anna ihren dunklen Begleiter schon wiedergehabt. Aber die beiden Schattenwesen zogen sich widerstrebend zurück, als wir gingen, und verschwanden in ihrem großen Fass aus Eichenholz.
    Wir erreichten Annas

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