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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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und Jessys Zimmer, ohne dass Anna ein weiteres Wort gesagt hätte. Sie wirkte wie unterDrogeneinfluss. Zum Glück ließ sie sich schnell überreden, sich ein bisschen hinzulegen.
    Im zweiten Stock berieten wir uns flüsternd. Wir wussten zwar nun, dass Jessy die versteckten Türen auch bei Tageslicht finden konnte – und ich nur im Dunkeln –, dennoch waren wir der Meinung, es sei besser, wenn wir bis heute Nacht warteten. Die Gänge würden leer sein, wir wären unbeobachtet und zu zweit viel schneller.
    Das Abendessen verschlief ich in Laras Zimmer. Als ich aufwachte, hielt mir Jessy ein Stück Käse und ein Stück Brot entgegen. Gemeinsam warteten wir auf die Dunkelheit.
    Als es endlich so weit war und ich meinen Kopf aus der Tür hinausstreckte, fühlte ich wieder ein Kribbeln auf der Haut, als würden wir aus jedem der dunklen Winkel beobachtet. Und ich befürchtete, dass dies ein Gefühl sein könnte, das ich mein Leben lang nicht mehr loswerden würde.
    »Du links, ich rechts!«, sagte ich zu Jessy. »Und wenn irgendetwas Außergewöhnliches passiert, huste zweimal laut!«
    »Was sollte passieren?«, fragte Jessy nach.
    »Stimmt!«, lächelte ich. »Was soll in diesem wunderschönen Monster-Hotel schon passieren?«
    Jessys Lächeln wirkte etwas nervös. »Vorhin in dem Schattenraum hattest du Angst und ich nicht. Willst du dich rächen?«
    Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. »Nein. Entschuldige, ich bin immer noch – oder wieder – panisch und finde es supermutig von dir, dass du mir hilfst! Also, wenn etwas ist, melde dich!«
    Wie sehr sehnte ich in den nächsten Stunden meine Digicam herbei! Aber die lag sicher und trocken in meinem Zimmer. Ich hätte einfach ein paar Fotos von den Gängen machen können, um nach schattenhaften Vierecken zu suchen. War es nicht seltsam, dass meine Kamera mehr sehen konnte als ich? Nun, vermutlich ließ Technik sich nicht so leicht austricksen wie ein Mensch. Der Blitz tauchte die Umgebung so kurz in Licht, dass einfach noch ein »Schatten«, ein Rest Schwarz, auf dem Bild zu sehen war. So schnell war das menschliche Auge leider nicht.
    Hier half nur tasten. Da ich mich auf die Außenwand der Burg beschränkte, wo die Tür meiner Meinung nach liegen musste, gab es immerhin keine Verwechslungsgefahr mit den normalen Türen. Aber es gab Bilderrahmen und allerlei Zeugs, das im Gang herumstand. Bei Tageslicht wirkte er gar nicht so überfüllt, aber wenn einem mitten in der Nacht erst einmal ein schwerer mannshoher Kerzenleuchter ins Wanken geraten war, den man gerade noch im letzten Moment vor dem überlauten Aufprall bewahren konnte … dann wurde der Gang doch zur Hindernisbahn.
    Noch vorsichtiger tastete ich weiter. Bis ich etwas spürte! Mein Herz setzte beinahe aus, als ich einen Spalt fand, einen Türspalt in der Außenmauer! Zur Kontrolle schaltete ich meine Taschenlampe ein.
    Im gleichen Moment hörte ich das Geräusch. Ein kurzes, lautes Atmen. Wenige Meter von mir entfernt. Hastig ließ ich den Taschenlampenstrahl herumfahren. Augen schimmerten in der Dunkelheit, bis derjenige seinen Arm mit der Handfläche nach außen vor das Gesicht hielt.
    »Du hast sie gefunden«, knarrte eine heisere Stimme. »Nicht wahr?«
    Ich war selbst geblendet von dem Licht, aber langsam konnte ich ihn erkennen. Es war Paul, der alte Mann mit dem grau-braun gefleckten Bart.
    »Was gefunden?«, fragte ich harmlos, dann hustete ich zweimal recht laut.
    Er lachte böse. »Du glaubst doch nicht, dass die Blinde kommt, um dir zu helfen?«
    Mit Schrecken wurde mir bewusst, dass er uns schon eine Weile beobachtet und belauscht haben musste. Meine Finger krallten sich viel zu fest um die Taschenlampe, aber er durfte nicht sehen, dass ich Angst hatte.
    »Lassen Sie mich einfach weitermachen!«, redete ich möglichst beschwichtigend auf ihn ein. »Ich hatte nicht vor zu fliehen. Ich will Hilfe holen. Ich lasse Sie nicht zurück!«
    »Warum siezt du mich eigentlich die ganze Zeit?«, fragte er genervt und kam jetzt auf mich zu. »Ich bin achtzehn.«
    »Oh!«, konnte ich nur leise erwidern. »Okay!«
    »Und jetzt zeigst du mir die Tür!« Inzwischen stand er so dicht vor mir, dass ich seinen Atem auf der Haut spüren konnte. »Du hast es versprochen und ich werde ganz bestimmt nicht hier rumsitzen, während du nach Hause zu deiner Mami läufst. Die anderen können meinetwegen bleiben, bis sie verrotten – aber mich nimmst du mit!«
    Plötzlich ertönte hinter ihm ein Geräusch aus dem Gang.

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