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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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Als wir Sie fanden, haben Sie uns ja keine Möglichkeit gegeben, etwas zu erklären.«
    »Zum Beispiel die Geschichte mit dem Schatten-Abschneiden?«
    Die Verzweiflung gab mir den Mut, mit Ruben Nachtmann so zu sprechen, wie ich es schon lange hatte tun wollen. Er zuckte lächelnd mit den Schultern wie ein Mann, der beim Naschen einer Kirsche in einem Obstladen erwischt worden war.
    »Das war nicht böse gemeint. Ich wusste, dass Sie sonst fliehen würden, und ich musste ein bisschen Druck machen, um die Formel zu bekommen. Natürlich gebe ich Ihnen den Schatten sofort zurück, wenn ich habe, was ich brauche.«
    Er kam näher.
    »Kira, verstehen Sie denn nicht? Ich bin seit Jahrhunderten gezwungen Menschen zu entführen, damit meine Familie überleben kann. Glauben Sie, das macht mir Spaß?«
    Er wollte noch einen Schritt näher kommen, aber ich streckte die Hand aus und funkelte ihn an. »Nicht weiter – oder ich springe! Sie wissen, dass ich dazu fähig bin!«
    Herr Nachtmann blieb stehen und sein Gesicht wurde ernst. »Nein, das weiß ich nicht. Es wäre verrückt, zu springen. Wissen Sie, wie tief Sie fallen würden? Ihre Knochen würden nicht brechen, sondern splittern. Wenn Sie Pech haben, sind Sie nicht einmal tot. Und in dieser Welt gibt es keine Chirurgen und Krankenhäuser. Also lassen Sie es bitte! Seien Sie vernünftig und hören Sie mir zu!«
    Ich gab es nur ungern zu, aber er hatte mich so weit, dass ich ihm zuhören wollte. War da in seinem Gesicht nicht eine Aufrichtigkeit, die mich zweifeln ließ an meiner Sicht der Dinge?
    »Wenn ich dieses Schwarz hätte, das Ihr Vater in einer genialen Stunde entdeckt hat – dann müsste ich niemanden mehr entführen«, erklärte Herr Nachtmann und seine Augen glitzerten, als hätte er Tränen darin. »Dieser dumme Fehler meiner Jugend … Hat Cyriel davon erzählt?«
    Ich nickte schweigend, während mein Herz hämmernd darauf wartete, dass er näher kam. Andererseits hatte dieser Eisbär recht: Ich war längst noch nicht zu dem Sprung entschlossen. Ein tödlicher Sprung, um die Menschheit vor den Folgen einer Erfindung zu schützen! Vor Nachtmanns Plänen – von denen ich immer noch nicht wusste, ob sie so schrecklich waren, wie Cyriel befürchtete. Aber mein Vater schien der gleichen Meinung gewesen zu sein. Und warum sollte ich den beiden Männern misstrauen, die ich liebte? Plötzlich ordneten sich meine Gedanken wieder. Es tat gut, jemandem zu vertrauen. Und es tat gut, dass ich meinen Vater jetzt verstehen konnte. Ich bewunderte ihn für seine Weitsicht und Entschlossenheit. Er war kein Feigling gewesen, sondern sehr, sehr mutig!
    »In diesem Raum habe ich ein Gespräch belauscht, das nicht für meine Ohren bestimmt war«, fuhr Nachtmann in Gedanken versunken fort. »Ein fremder Alchemist sollte mir meine Stellung streitig machen …«
    Plötzlich hörte ich ein Kratzen direkt hinter mir. Während Ruben weitersprach, lauschte ich angestrengt nach hinten. Dort konnte doch nichts sein? Nur das Fenster.
    Unauffällig lehnte ich mich mit dem Po gegen den Sims, legte die Hände auf die Steine und sah hinunter. Uuuuups, dort ging es richtig tief runter! Erst als ich noch mal hinsah, bemerkte ich eine dunkle Stelle, die dicht ander Wand klebte. Ein Schatten! Seine Finger berührten fast meine.
    »Geh mit ihm ins Labor und mix ihm seine Black Lady«, raunte eine Stimme so leise, dass ich sie kaum hören konnte. »Lass dir viel Zeit dabei!«
    Was verlangte Cyriel da von mir? Dass ich mein Leben um jeden Preis retten sollte? Damit Ruben Nachtmann weitere vierhundert Jahre lang Menschen entführte, um sie in dunklen Gängen altern und sterben zu lassen oder gar die gesamte Menschheit vernichtete? Diese Entscheidung ging gegen alles, was ich je von meinem Leben erwartet hatte – oder vom Tod. Aber ich hielt die Hand aus dem Fenster und streckte den Daumen nach unten.
    »Mach keinen Quatsch und vertrau mir!«, zischte die Stimme schon lauter. Aber war es noch wichtig, ob wir gehört wurden? Langsam lehnte ich mich weiter zurück, um mich notfalls kippen zu lassen.
    »Willst du, dass ich den Rest der Ewigkeit mit einem Schuldgefühl verbringe, weil ich das Mädchen, das ich liebe, nicht fangen konnte?«
    Ich zögerte und meine Finger krallten sich in die Steine. Hatte ich richtig gehört? Das Mädchen, das ich liebe? Hatte Cyriel das wirklich gesagt? Noch während ich an meinem Gehör zweifelte, spürte ich eine Berührung an meiner Hand – leicht wie ein Hauch. Aber

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