Schattierungen von Weiß
Levin bitter auf. „Ich weiß, was Mia gut tut, ich kenne sie. Ich bin doch nicht total verblödet, ich habe sie fröhlich und lachend erlebt, ihre Augen haben gestrahlt, wenn wir zusammen gewesen sind, und wenn wir uns geliebt haben. Jetzt sagen Sie, dass es ihr nicht gut geht und ich darf nichts machen? Soll sich Mia in diesen Wahn hineinsteigern? Was sind denn Sie für Therapeuten?“, Levin sprang erbost von seinem Stuhl auf und lief aufgeregt in dem Büro auf und ab.
„Ich verstehe Ihre Wut. Ich kann Ihnen versprechen, bei Mia nicht locker zu lassen. Mehr kann ich im Moment nicht tun. Aber bitte , haben Sie Vertrauen zu mir“, bat Lydia ihn.
„Ja klar “, Levin funkelte sie zornig an. „Sie haben Mia ja auch so gut hinbekommen für das Leben da draußen.“
„Sie wissen nicht, was Sie da sagen. Sie sind wütend“, Lydia schüttelte den Kopf, Levin zog es vor, lieber die Klappe zu halten. Sie war seine einzige Verbündete, da sollte er es wohl nicht riskieren, sie auch noch zu verärgern. „Entschuldigung, es tut mir leid.“
„Schon vergessen. Ich gehe jetzt zu ihr, ich rufe Sie an, wenn sich irgendetwas tut“, Lydia stand auf und reichte ihm die Hand. „Ich bin wirklich auf Ihrer Seite.“
„Mia? Mia hörst du mich?“
Mia öffnete träge die Augen, sie war so unglaublich müde, warum ließ man sie denn nicht einfach schlafen? Denn dann tat ihr wenigstens nichts weh.
„Mia“, die Stimme wurde eindringlicher, sie erkannte, dass es Lydia war.
„Hm?“, murmelte sie verschlafen.
„Wie geht es dir?“, lächelte Lydia sie an.
„Gut“, log Mia und hoffte, dass man sie dann in Ruhe lassen würde.
„Du hast nichts gegessen, das geht jetzt schon seit Tagen so. Wir müssen bald etwas dagegen tun, das weißt du hoffentlich“, sagte die Therapeutin streng.
„Ist mir egal“, Mia rappelte sich hoch und setzte sich hin. Ihr wurde sofort schwindelig, sie hoffte, dass es Lydia nicht bemerkte.
„Das sollte dir nicht egal sein. Genauso wenig wie dein Freund, der immer noch hier in Hamburg ist und dich sehen möchte.“
„Levin?“, Mia spürte wieder diesen schmerzhaften Stich in ihrer Brust. „Warum geht er denn nicht?“
„Weil er dich liebt. Mia, du liebst ihn doch auch, sonst würdest du nicht so leiden. Gib dir einen Ruck…“
„Das… das geht nicht“, sie schüttelte den Kopf, dann sah sie Lydia wieder an. „Ich möchte alleine sein.“
Levin drehte langsam wirklich am Rad. Er war jetzt seit vier Tagen hier und hatte Mia noch nicht sehen dürfen. So langsam wuchs seine Wut, die Zeit lief ihm davon, ihm ging es beschissen wegen dieser Sache und die Tatsache, dass Mia genauso litt, machte das alles nur noch schlimmer.
Doch was sollte er tun? Ihm waren die Hände gebunden, er war einzig und allein auf den guten Willen der Therapeuten angewiesen.
Wie jeden Tag fuhr er also auch heute in die Psychiatrie und hoffte, dass es positive Neuigkeiten gab.
„Mia, so geht es nicht weiter“, schnaubte Lydia, als der Arzt, der Mia die Nährstofflösung abgenommen hatte, den Raum verlassen hatte. „Ich schaue mir das nicht weiter an.“
„Wie meinst du das?“, fragte Mia sie ängstlich. Sie wollte das alles hier nicht, die Zwangsernährung, die ewigen Fragen von Lydia. Sie wollte einfach nur alleine traurig sein.
„Warum hast du deinen Rucksack noch nicht ausgepackt?“, Lydia deutete auf eine Ecke des Zimmers, in dem er immer noch unberührt stand.
„Er… er gehört nicht hier her. Nicht in dieses Leben“, flüsterte Mia leise. „Er kann weg geworfen werden.“
„Oh nein!“, Lydias Stimme wurde energischer. „Nein, Mia, er gehört in DEIN Leben, genauso wie der junge Mann, der sich seit Tagen um dich sorgt! Es gibt kein ‚Hier‘ und kein ‚Draußen‘ – alles gehört zusammen und du musst lernen, es zu einem Ganzen zusammenzufügen!“
„Ich will nicht, dass Levin wegen mir Ärger bekommt. Und ich will ich nicht, dass er mich so sieht!“, protestierte Mia.
„Er liebt dich – er wird alles in Kauf nehmen für dich. Mia, jetzt komm endlich mal zu dir. Es gehört zum Leben dazu, Probleme zu lösen, und du stehst nicht alleine da. Du hast einen Partner und du hast uns. Steh auf und übernimm Verantwortung für dich!“
„Das… das will ich ja… aber nicht mit Levin, das… das kann ich ihm nicht zumuten …“
„Und ich werde nicht zusehen, wie du hier immer weniger wirst“, Lydia schüttelte nur den Kopf und verließ rasch Mias
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