Schattierungen von Weiß
seiner Frau noch seinem Miststück von Tochter etwas getan. Das ist alles eine einzige infame Lüge, damit Mia ihrer Strafe entgeht“, zischte Frau Kessler ihm zu.
„Ich glaube, Sie machen sich da etwas vor. Ihr Sohn hat seine Frau und seine Tochter geschlagen. Er war Alkoholiker…“
„DAS IST GELOGEN!“, schrie Frau Kessler auf.
„Nein, das glaube ich nicht. Ich verstehe, dass Sie um Ihren Sohn trauern, aber selbst Sie müssten do ch einsehen, dass Mia zu einem Mord gar nicht fähig gewesen sein kann.“
„Junger Mann – ich kenne meine Enkelin ein wenig länger als Sie. Und ich kannte meinen Sohn und diese Frau, die er geheiratet hatte. Ich war immer gegen diese Beziehung, sie hat ihm nicht gut getan. Und man sieht ja, was dabei rausgekommen ist: Eine verkommene Göre, die ihn hinterhältig erstochen hat – und ihre Mutter gleich noch mit dazu“, sagte sie abfällig.
Levin schüttelte den Kopf, Lydia hatte Recht, diese Frau hier war so gefangen in ihrem Hass, da konnte man nicht durchkommen.
„Was ist mit Mias Erbe? Es steht ihr doch etwas zu, oder?“, fragte er dann weiter. „Sie ist durch ihre psychische Erkrankung nicht für erbunwürdig befunden worden.“
„Mein Sohn und meine Schwiegertochter waren nicht reich, im Gegenteil. Mein Sohn hatte ja leider seine Arbeit verloren und Anna ging kellnern. Sie hatten Schulden, die habe ich beglichen, die Möbel aus der Wohnung habe ich verkauft, um wenigstens einen Teil davon wiederzubekommen. Ich unterstütze Mia nur finanziell, weil ich mir nichts nachsagen lassen will. Machen Sie sich keine Hoffnungen, bei Mia ist nichts zu holen.“
„Das hatte ich auch nicht vor, ich brauche Mias Geld bestimmt nicht“, Levin sah sie wütend an.
„Ach, nein? Wie schön für Sie“, sagte sie zynisch.
„Ich würde Sie bitten, den Antrag auf Betreuung zurückzuziehen. Er wird sowieso keinen Erfolg haben, das hat mir heute ein Anwalt versichert.“
„Mia ist gefährlich und verrückt!“
„Mia ist eine ganz normale junge Frau. Ich möchte sie mit zu mir nach Berlin nehmen und mit ihr zusammen ein gemeinsames Leben aufbauen. Wenn Sie sie so hassen, dann müssten Sie doch froh sein, wenn sie verschwindet“, lächelte Levin ihr zu. „Der Antrag erschwert alles nur noch zusätzlich.“
Mias Großmutter zog die Augenbrauen hoch. „Sie wollen sich um sie kümmern? Haben Sie keine Angst, dass Sie irgendwann mal ein Messer zwischen Ihren Rippen haben?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Dann sind Sie dümmer, als ich dachte!“
„Ziehen Sie den Antrag zurück“, bat Levin sie erneut.
„Nein“, ihre Großmutter erhob sich. „Mia hat meinem Sohn auch sein Glück nicht gegönnt. Warum sollte ich es also bei ihr tun?“
Levin schüttelte frustriert den Kopf, er verkniff sich aber eine böse Bemerkung, wollte ihre Wut auf Mia nicht noch zusätzlich anheizen – wenn das überhaupt noch möglich war. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie irgendwann einmal klarer sehen“, nickte er ihr zu und machte Anstalten zu gehen.
„Das wünsche ich Ihnen auch. Und seien Sie auf der Hut.“
23
Levin fand einfach nicht in den Schlaf. Er hatte gerade mit Mia telefoniert ; sie hatte zwar versucht, es zu überspielen, aber er konnte ihre Nervosität deutlich heraushören. Am morgigen Tag sollte der externe Gutachter kommen und sich mit ihr unterhalten, sein Urteil wog schwer, dementsprechend aufgeregt war sie.
Levin hatte sich in der letzten Zeit wieder vermehrt an seine Bücher gesetzt, aber sich richtig zu konzentrieren, das fiel ihm schwer.
Immerhin gab es jetzt endlich einen Termin für die Anhörung, sie sollte in zwei Wochen stattfinden. Levin konnte nur hoffen, dass man Mia nicht wieder für eine ungewisse Zeit einsperrte. Jörn Becker war zuversichtlich, sie da ganz rausholen zu können, aber Levin wollte sich nicht zu viele Hoffnungen machen.
An den letzten drei Wochenenden hatte er Mia immer besucht, sie sah ein bisschen besser aus, zumindest hatte sie nicht noch mehr an Gewicht verloren und ihre Augen leuchteten wieder mehr.
Es brach ihm das Herz, sie dort zurücklassen zu müssen, er fragte sich immer wieder, wie sie es wohl all die Jahre dort ausgehalten hatte. Er wäre definitiv dort drin verrückt geworden, obwohl Lydia und die anderen Therapeuten sich sehr um Mia bemühten. Man merkte den Leuten an, dass sie sie mochten und ihr nur das Beste wünschten. Aber trotzdem fehlte ihnen auch oft die Zeit, sich ausgiebig mit Mia zu befassen.
Und noch
Weitere Kostenlose Bücher