Schau Dich Nicht Um
widerspiegelte, so wie das zu Beginn gewesen war, als er einer von zehn gewesen war und nicht von zweihundert.
»Und wie willst du daran etwas ändern?«
Don senkte das Kinn auf die Brust, wie er das zu tun pflegte, wenn er ernsthaft nachdachte. »Ich glaube nicht, daß sich da etwas ändern läßt. Die Kanzlei ist zu groß geworden. Sie hat ihre eigene Dynamik entwickelt. Ich könnte nur etwas ändern, indem ich gehe.«
»Und wärst du bereit, das zu tun?«
»Ich denke schon eine ganze Weile darüber nach.«
»Und was würdest du dann tun?«
»Noch einmal von vorn anfangen.« Die Vorstellung schien ihm zu gefallen. Man hörte es seiner Stimme an. »Ein paar wirklich gute Leute würde ich mitnehmen und dann noch ein paar neue dazunehmen. Eine kleine Kanzlei gründen in familiärer Atmosphäre, weißt du, so ein Haus mit gemauerten Wänden und Pflanzen, die von Stuckdecken herunterhängen. Zwei Sekretärinnen, zwei Badezimmer, eine kleine Küche. Würde dich so was interessieren?«
»Wie bitte?«
»Ich habe den Eindruck, ich habe mir da gerade selbst ein sehr interessantes Projekt aufgeschwatzt. Wie wär’s, Jess? Wie klingt das für dich, Shaw und Koster?«
Jess lachte, aber nur weil sie nicht recht wußte, was sie sonst tun sollte.
»Überleg es dir.« Don stand auf und ging zum Fenster. »Sieht nicht so aus, als kämen wir heute nachmittag hier wieder weg.«
»Was?« Jess sprang erschrocken auf.
»Es schneit stärker denn je. Und ich hab nicht den Eindruck, daß es besser wird. Im Gegenteil. Da pfeift ein ganz schöner Wind. Ich möchte nicht gern auf dem Highway in einen Schneesturm geraten.«
»Aber ich muß zurück.«
»Ich bring dich schon zurück. Nur eben nicht heute nachmittag. Wir werden vielleicht warten müssen bis nach dem Abendessen.« Er ging zu der großen offenen Küche auf der linken Seite und öffnete den Tiefkühlschrank. »Ich taue ein paar Steaks auf und mache noch eine Flasche Wein auf. Dann ruf ich mal die Straßenpolizei an und erkundige mich, wie es aussieht. Jess, reg dich nicht auf«, sagte er. »Selbst wenn es ganz schlimm kommen sollte und wir heute abend nicht mehr hier wegkommen, bist du morgen früh rechtzeitig zu deinem Prozeß in der Stadt, das verspreche ich dir. Und wenn ich mir Skier anschnallen und dich tragen muß. Okay? Beruhigt dich das?«
»Nicht so richtig«, antwortete sie.
»Na also, so kenn ich dich doch«, sagte er.
Den Rest des Nachmittags hing Jess am Telefon.
Hilary Waugh, die Leichenbeschauerin, hatte nichts Neues zu berichten. Die Autopsie Connie DeVuonos war noch nicht abgeschlossen; es würde einige Tage dauern, die Befunde auszuwerten und zu interpretieren.
Neil Strayhorn hatte sich mit Barbara Cohen und Detective
Mansfield in Verbindung gesetzt. Sie hatten zwei Bogenschützenvereine im Stadtgebiet von Chicago ausfindig gemacht und weitere vier solche Clubs innerhalb eines Umkreises von hundertfünfzig Kilometern. Polizeibeamte waren bereits unterwegs, um mit den Funktionären der Vereine zu sprechen. Zum Glück hatten alle Clubs auch sonntags geöffnet; zwei allerdings hatten wegen des Schneesturms vorzeitig geschlossen, und es war niemand zu erreichen. Man hatte jedoch auf den Anrufbeantwortern Nachricht hinterlassen und um unverzüglichen Rückruf bei der Polizei gebeten. Neil versprach, sich bei Jess zu melden, sobald er etwas Neues wußte.
Im Geist ging Jess noch einmal die Fragen durch, die sie für Terry Wales vorbereitet hatte. Don hat schon recht, dachte sie und sah in die Küche hinüber, wo er das Abendessen richtete. Sie war so gut vorbereitet, wie es überhaupt möglich war. Sie brauchte ihre Notizen nicht. Sie hatte bereits all ihre Fragen im Kopf und ebenso die Antworten, die sie voraussichtlich auf sie erhalten würde. Das einzige, was sie jetzt noch zu tun brauchte, war, rechtzeitig bei Gericht zu erscheinen.
»Im Radio haben sie eben gesagt, daß man damit rechnet, daß es bis Mitternacht aufhört zu schneien«, berichtete Don und drückte ihr ein Glas Rotwein in die Hand, ehe sie sich aufregen konnte. »Ich würde sagen, wir bleiben über Nacht hier, schlafen uns gründlich aus und brechen morgen früh gegen sechs auf. Dann sind wir spätestens um halb acht in der Stadt, und du hast noch mehr Zeit als genug, um zu Gericht zu kommen.«
»Don, das geht nicht.«
»Jess, ich glaube, wir haben gar keine andere Wahl.«
»Aber was ist, wenn es bis Mitternacht doch nicht zu schneien aufhört? Wenn wir morgen früh hier
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